Heiligs Blechle - Papst Benedikt bestellt bei deutschem Online-Shop

Stolz und Jubel beim Online-Händler Redcoon in Aschaffenburg. Kein Geringerer als Papst Benedikt hat bei der italienischen Redcoon-Tochter ein paar Fernseher bestellt. Naja, nicht ganz.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber Redcoon-Chef und Papst-Lieferant Reiner Heckel,

vor wenigen Tagen meldeten Sie stolz einen neuen Kunden. Nicht irgendeinen, nein, einen ganz besonderen: unseren Papst Benedikt XVI in Rom! "Der Papst kauft bei Redcoon – Vatikan bestellt LCD-Fernsehgerät", jubeln Sie in einer Pressemitteilung Ende vergangener Woche. Wir gratulieren. Schließlich ist der Papst als besonders wählerischer und kritischer Kunde bekannt. Da kann man schon stolz sein, wenn er einem seine Gunst und sein Vertrauen schenkt. Gut, wer genau hinschaut, der erfährt, dass es gar nicht der Heilige Vater selbst, sondern nur ein "Bediensteter des Papstes" war, der bei Ihrer italienischen Tochter mehrere Fernsehgeräte bestellt hat. Aber das sind Details. Für eine schöne und positive Schlagzeile in einer an positiven Schlagzeilen gar nicht so reichen Zeit reicht die Order aus dem Vatikan allemal.

Ich denke, Ihre Meldung ist auch ein schönes Beispiel für andere Unternehmen. Man kann da ruhig gnadenlos abkupfern. Das macht gar nichts. Ich selbst versuche gerade den Heise-Verlag davon zu überzeugen, eine Pressemitteilung mit der Headline "Bill Gates regelmäßiger Leser der Kolumnen von Damian Sicking" zu veröffentlichen. Gut, es ist vielleicht nicht Bill Gates selbst, aber ich weiß ganz sicher, dass ein "Bediensteter" von Bill Gates (vielleicht auch sogar zwei oder drei?) meine Kolumnen lesen. Also man darf hier nicht so kleinlich sein. Ich bin sicher, dass die Germanisten für diesen rhetorischen Kniff einen Fachausdruck haben, der fällt mir nur gerade nicht ein.

Bei dieser Gelegenheit fiel mir auf, dass ich gar nicht so viel über das 2003 von Ihnen in Aschaffenburg gegründete Unternehmen Redcoon wusste. Also habe ich mich ein wenig schlau gemacht. Sie rühmen sich, "einer der größten und sicher der frechste europäische Fach-Discounter für Elektro- und Elektronik-Artikel im Internet" zu sein. Die Firma, die auch in Spanien, Italien, Österreich, Spanien, Portugal, Niederlande, Belgien und Polen aktiv ist, beschäftigt momentan mehr als 300 Mitarbeiter, davon 200 in Deutschland. Im vergangenen Jahr steigerte das Unternehmen den Umsatz nach eigenen Angaben um 25 Prozent nach einem Plus von 18 Prozent im Jahr zuvor. Wie hoch der Umsatz in absoluten Zahlen ist, scheinen Sie dann doch lieber für sich behalten zu wollen, irgendwo habe ich aber gelesen, dass Sie in diesem Jahr europweit 500 Millionen Euro umsetzen wollen. Wo das Ziel ist, steht für Sie fest: "Wir wollen in diesem Jahr der größte Online-Anbieter für Unterhaltungselektronik in Europa werden. Und wenn wir weiter so wachsen, dann wird uns das auch gelingen", sagten Sie im März dieses Jahres. Aber das sind nur Zwischenetappen. Schon heute wissen Sie, dass Europa auf Dauer zu klein für Sie sein wird. Sie planen bereits Ihren Einstieg in die amerikanischen, japanischen und australischen Märkte.

Das alles klingt nach "think big". Und wer ist der Mann, der da von Aschaffenburg aus bereits in globalen Dimensionen denkt. Ganz viel weiß man über Sie ja nicht, lieber Herr Heckel, nur dass Sie als Geschäftsführer für Media-Markt in den Niederlanden tätig waren und sich später mit dem aggressiven Abmahnverhalten Ihres früheren Brötchengebers aus Ingolstadt herumschlagen mussten. Das Foto von Ihnen zeigt einen sympathisch wirkenden Mann im besten Alter, der nicht dazu neigt, die Dinge ernster zu nehmen als nötig.

Lieber Herr Heckel, gut möglich, dass ich nun häufiger auf Ihrer Homepage vorbeischaue. Denn was mich als werdenden Vater wirklich begeistert, ist, dass es bei Ihnen nicht nur Notebooks und LCD-TVs zu kaufen gibt, sondern auch so nützliche Sachen wie Babykostwärmer und Wickeltischstrahler. Dabei kommt mir folgender Gedanke: Wissen Sie, was eine noch größere Schlagzeilen wäre? Wenn der Papst in Rom auch aus diesem Produktbereich eine Bestellung aufgeben würde.

Beste Grüße

Damian Sicking

Und hier die Antwort von Redcoon-Chef Reiner Heckel

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