Die bayrische Polizei darf nun ran an das Gen

Das bayrische Polizeiaufgabengesetz ist verabschiedet worden. Was der Freistaat bisher auf Bundesebene nicht durchsetzen konnte, macht er jetzt im Alleingang. Das genetische Phantombild gehört dazu.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Seit bald anderthalb Jahren treibt die Länder Baden-Württemberg und Bayern das Bedürfnis nach einem Gesetz zur erweiterten Nutzung der Genanalyse für Ermittlungszwecke um. In den USA ist das sogenannte DNA Phenotyping längst zugelassen, wie bereits voriges Jahr im TR-Blog zu lesen war. Zum Anlass für den deutschen Vorstoß avancierte der Mord an einer Freiburger Medizinstudentin im Oktober 2016. Verdächtigt wurde damals ein Flüchtling aus Afghanistan, der anhand eines am Tatort aufgefundenen Haares überführt und inzwischen rechtskräftig für die Tat verurteilt wurde.

Seither möchten Baden-Württemberg und Bayern für ihre Ermittlungen zusätzlich zu dem bisher erlaubten charakteristischen DNA-Muster – dem sogenannten genetischen Fingerabdruck – auch Aussagen über die Farbe der Augen, der Haare und der Haut erhalten und benutzen dürfen. Besonders den Bayern geht es darüber hinaus um Rückschlüsse auf die regionale Herkunft von verdächtigen Personen.

Im vorigen Jahr ist die Gesetzesinitiative der beiden Länder allerdings noch im Bundesrat gescheitert. Doch inzwischen hat es die Forderung, künftig mehr Informationen aus der DNA-Analyse zuzulassen, immerhin auf Bundesebene in den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD geschafft. Und nicht nur das. Bayern hat sich in diesem Frühjahr entschlossen, ein Zeichen zu setzen und am 15. Mai ein entsprechend gestaltetes neues Poliziaufgabengesetz verabschiedet, wie Zeit online berichtete.

Gilt es künftig, Straftaten zu verhindern, dürfen nun bei "drohender Gefahr" in Bayern sogar DNA-Proben genommen und analysiert werden. Diese Entscheidung kritisierte auch diesmal vor allem jene Initiative von Wissenschaftlern rund um den Lehrstuhl für Science and Technology Studies am Freiburger University College. Diese Forscher aus diversen Disziplinen beschäftigen sich seit Ende 2016 mit der Verwendung solcher DNA-Analysen in der Polizeiarbeit.

"Aus wissenschaftlicher Sicht ist insbesondere die angebliche Genauigkeit, mit der die ,biogeografische Herkunft' in einer Ermittlung abgeleitet werden kann (99,9%), äußerst spekulativ. Sie lässt nur sehr bedingt Rückschlüsse auf die tatsächliche Herkunft einer Person zu", schreiben die Wissenschaftler auf ihrer Hompage. Auch für andere Parameter – vielleicht abgesehen von der Augenfarbe – bemängeln die Forscher Zuverlässigkeit und Aussagekraft: "Die genauen Vorhersagewahrscheinlichkeiten sind momentan Gegenstand der Forschung und können je nach untersuchter Gruppe und untersuchter Eigenschaft deutlich schwanken."

Deshalb fürchten die Forscher rund um die Freiburger Biologin Veronika Lipphardt, dass es gerade bei der sogenannten "biogeographischen DNA-Analyse" zu Stigmatisierungs- und Diskriminierungseffekten kommen kann: "Es wird Fehler geben", sagte Lipphardt dem Bayerischen Rundfunk. Für den Berliner Juristen Carsten Momsen, ebenfalls Unterstützer der Freiburger Initiative, könnten Ermittlungsergebnisse auf der Basis dieser erweiterten DNA-Analyse trotz aller Vorbehalte rechtlich relevant sein, wie er dem Tagesspiegel sagte.

Zugleich hält er das Polizeiaufgabengesetz für einen "Testballon". Also quasi für ein Mittel, um die Toleranzbereitschaft des Bundesverfassungsgerichts auszuloten. Am Ende könnte ein erneuter Vorstoß des Duos Baden-Württemberg und Bayern stehen, ein entsprechendes Gesetz doch noch bundesweit durchzusetzen. Mit ein wenig Glück aber wird dieses allzu forsche Vorhaben bis dahin auf dem Rechtsweg zu Fall gebracht. (inwu)