Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

Die EU wünscht sich eine verursachergerechte Maut. Klingt nach einer guten Idee – wäre da nicht ein großes Aber.

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Das EU-Parlament will sich für eine kilometerabhängige Maut einsetzen. Das klingt zunächst einmal vernünftig: Anders als bei der geplante Autobahn-Maut der CSU wäre dies keine Flatrate fürs Fahren mehr, sondern jeder zahlt nach Benutzung. Das ist fairer und erhöht den Anreiz, öfter mal mit den Öffis zu fahren. Zudem soll die Maut auch zeitlich gestaffelt werden. Ob und wann und wie die Mitgliedsländer eine solche Maut einführen wollen, ist ihnen selbst überlassen. Aber wenn, dann soll sie europaweit kompatibel sein.

Der Charme dieser Lösung besteht darin, dass sich die Gebühren sehr genau nach Straße und Fahrzeug differenzieren lassen: Besonders dreckige, laute oder schwere Wagen zahlen mehr, besonders belastete Strecken sind teurer, und während der Rush Hour steigen die Gebühren. All dies entspricht dem Verursacherprinzip und würde den Verkehrsfluss in die erwünschte Richtung lenken.

Auch die EU-Kommission unterstützt eine strecken- und zeitabhängige Maut. Sollte sich Brüssel damit durchsetzen, wäre die Autobahnvignette à la CSU schon mit einem Verfallsdatum versehen, bevor sie überhaupt in Kraft tritt – ebenfalls ein angenehmer Kollateralnutzen.

Doch nun kommt das große Aber: Was die EU da plant, ist ein technisch und administrativ derartig komplexe Rube-Goldberg-Maschine, dass sie einem eigentlich nur um die Ohren fliegen kann. Schon die Einführung der Lkw-Maut in Deutschland hat die beteiligten Unternehmen ja bekanntlich überfordert. Und nun soll ein solches System auf sämtliche Fahrzeuge in sämtlichen Ländern ausgeweitet werden und dabei nicht nur die Kilometer abrechnen, sondern auch noch eine handvoll Nebenbedingungen?

Wahrscheinlich müssten die Betreiber zu allem Überfluss auch noch EU-weit ausgeschrieben und nach Länder-Proporz beteiligt werden. Woher nehmen die EU-Politiker die Zuversicht, dass dies besser funktionieren würde als bei Technologie-Desastern wie dem Navigationssystem Galileo oder dem Airbus A400M, für die es ja immerhin schon funktionierende Vorbilder gab?

Weiter geht es mit administrativen Fragen: Wer genau soll die jeweiligen Gebühren festlegen, und wie soll der Bürger sie durchblicken? Wer heute schon an den Tarifstrukturen verschiedener Verkehrsverbünde verzeifelt, dürfte sich erst Recht auf eine in mehreren Dimensionen dynamische Maut freuen.

Und dann ist da noch das gewichtigste Argument von allen: Die EU plant hier gerade eine riesige Datenverwurschtungsmaschine, das exakte Gegenteil von Privacy by Design. Möge mir doch bitte keiner erzählen, die Daten seien bei der Öffentlichen Hand sicher. Nein, sind sie nicht. Sind sie nie.

Dabei gäbe es eine viel einfachere Lösung: Die Maut auf die Mineralölsteuer umlegen. Auch dies belohnt Wenigfahren, einen zurückhaltenden Gasfuß sowie kleine und sparsame Autos. Europaweit umgesetzt, gäbe es auch keinen Tanktourismus – ein Argument, das bisher immer gerne gegen eine solche Umlegung vorgebracht wurde.

Natürlich lassen sich auf diese Weise nicht alle Lenkungszwecke erfüllen, etwa die Vermeidung von Stau. Aber den bezahlen Verkehrsteilnehmer ohnehin schon in einer anderen Währung: Zeit.

(grh)