Wenders sucht Trost beim Papst

Bild: PFAMOHW-Wenders

Die einstige Hochverehrung für den Langfilmer Wenders in den deutschen Feuilletons bröckelt

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Zuletzt war es der im Auftrag und wohl nicht ohne Geld des Vatikans gekurbelte Portraitfilm über "Papst Franziskus", der dem Wilhelm Ernst ("Wim") Wenders wieder Hohn und Spott eingetragen hat (Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes). Philipp Stadelmeier kritisiert in der Süddeutschen Zeitung den Dokumentarfilm des verhinderten Priesters Wenders (Wikipedia) über den Pontifex mit unverhohlenem Sarkasmus: Wieder einmal sei das Anliegen Wenders der "beklagenswerte Zustand der Welt", deren Rettung er nun in den abgefilmten Worten des römischen papa suche.

Schon der letzte Versuch des Filmschaffenden W., bei den Venediger Festspielen des Jahres 2016 eine Auszeichnung zu ergattern, hat ihm mehr Spott als Erfolg eingebracht. Thomas Steinfeld damals im SZ-Feuilleton: Das Publikum habe bei Wenders in Venedig vorgeführter Handke-Romanverfilmung, Drehort war eine Gartenlaube, "Mühe gehabt, sich zu konzentrieren".

Andere waren schon ein Jahrzehnt vorher, z. B. in Cannes, weniger sanftmütig: 2008 klassifizierte Rüdiger Suchsland den dortigen Italien-Versuch von Wenders, "Palermo Shooting", in Telepolis gnadenlos als "Quasselfilm", der die "Zuschauer von Anfang an quäle". Wenders "Seniorenkino" sei in Cannes in Buhrufen und Gelächtersalven untergegangen.

Das erste, was die Leute aus der "generation smartphone" wohl fragen, wenn sie über den Kinonamen "Wim Wenders" stolpern, dürfte doch sein: "Wim Wenders? Welcher Wim Wenders? Meine Alten haben manchmal Lilo Wanders geschaut - keinen Wim Wenders!"

Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes (17 Bilder)

Bild: PFAMOHW-Wenders

Wenders, Merkel und das Linksmilieu

Auch ich habe, animiert durch die Papst-Wenders-Werbung in den Leitmedien, erst einmal recherchiert. Dabei habe ich in "Freitag" ein interessantes Interview aufgestöbert. Claus Stille hat dort ein Gespräch mit dem Wirtschafts- und Sozialprofessor Goeschel veröffentlicht. Der Wissenschaftler hat eine überzeugende Erklärung dafür, weshalb gerade die für Viele eigentlich todlangweiligen und nur scheingeistigen Wendersstreifen vom deutschen Bildungsspießbürgertum und in den deutschen Biedermeierfeuilletons mehrheitlich so hoch gelobt worden sind.

Goeschel sieht eine tiefe mentale Kongruenz zwischen Wenders Filmen und Merkels Politik: "Langeweile als Stilmittel und Langeweile als Herrschaftstechnik". Wörtlich heißt es dazu 2015 im Interview: "Sie wollen also sagen, dass der Wenders 'Ausweglosigkeit' auf der Kinoleinwand so inszeniert, wie die Merkel 'Alternativlosigkeit' im Bundestag intoniert?" Goeschel: "Trefflicher hätte ich es nicht sagen können - danke, danke, danke. Natürlich ist der Wenders über die Jahrzehnte zum Systemfilmer einer Bundesrepublik geworden, die einen Angriffskrieg im Balkan und einen Angriffskrieg am Hindukusch geführt hat oder noch führt und die tief in die Metzeleien in Nordafrika und Vorderasien verwickelt ist und hinter Terror, Sanktionen und Militärmanövern in der Ukraine steckt. Bauchredender Hausfrauen-Imperialismus … und nichts sagende Literatenfilme passen glänzend zusammen."

Nach Auffassung des Professors sind die Wenders-Filme aber auch der filmästhetische Ausdruck des deutschen "Wohlfühl-Chauvinismus" und "Gutmenschentums". In einem aktuellen Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung bezeichnet Wenders dementsprechend seinen Papstfilm auch als "Aufruf an alle Menschen guten Willens".

Wie man derzeit hört und sieht, hat aber die Merkelpolitik der Alternativlosigkeit, des Unterlassens, Aussitzens und Verschweigens mit Trump in den Vereinigten Staaten und mit der Fünfsterne-Lega in Italien nunmehr "fertig". Und auch das ihr funktional verbundene pseudokritisch-linksakademische Milieu wird als Alternative nicht mehr gebraucht: Die Abgehängten und die Nichtwähler vermeinen mittlerweile, eine für sie wählbare Partei gefunden zu haben.

Hier kann dem Merkel-Filmer Wenders auch der Papst-Film nicht mehr wirklich helfen. Vielleicht sollte er einfach seine Kamera einpacken - für immer.

Ikone des Gutmenschenmilieus - mit Urheberrechtsproblemen

Unter Bergen von Lobhudeleien der von Wenders Geschäften wohl auch wirtschaftlich abhängigen Kino- und Kulturmedien findet man bei Internetrecherchen dennoch Hinweise auf Taten des vorgeblichen Feingeistes Wenders, die alles andere als besonders feinsinnig erscheinen.

Ergänzend zu seiner jahrzehntelang zur Schau getragenen deutschtypischen Innerlichkeit hat Wenders beizeiten sein stets dem Zeitgeist angeschmiegtes Image mit einer "68er"-Komponente angereichert. Auch wenn Wenders diese angebliche "Revolutionsfilmerphase" derzeit lieber hinter seinen kirchen- und papstbezogenen Seelenqualen zurück treten lässt: Vor einigen Jahren und gerade zu seinem 70sten Geburtstag hat Wenders erkennbar den "Revolutionär" gemacht.

Um das überhaupt hinzubringen, hat Wenders nach Auffassung von Professor Goeschel schwerwiegend gegen das Urheberrecht verstoßen und scheint auch immer noch gegen das Verwertungsrecht zu verstoßen. Es geht dabei um einen Fernsehfilm, mit dem der damals durch mehrere Analysen zur Polizeisituation in Westdeutschland bekannt gewordene spätere Professor Goeschel 1968 vom Bayerischen Fernsehen beauftragt worden war. Mit beauftragt worden war damals auch Wenders, der damals noch Student an der Hochschule für Fernsehen und Film in München war. Thema des Filmes waren die in München in den 1960er Jahren entwickelten Polizeistrategien und -taktiken gegen die massenhaften Protestaktionen und Demonstrationen, die so genannte "Münchner Linie".

Das Drehbuch für diesen Film wurde schon aus fachlichen Gründen weit überwiegend von Goeschel verfasst. Die Dreharbeiten wurden von Wenders und Goeschel gemeinsam geleitet. Gleichwohl veränderte Wenders in den Folgejahren ohne Genehmigung von Professor Goeschel nicht nur den Filmtitel und das Filmmaterial, sondern genehmigte wohl auch die fortlaufenden Vorführungen des verfälschten Filmes. Zumindest billigend in Kauf nahm Wenders Angaben in Katalogen, Portalen etc., nach denen er als alleiniger Urheber des Werkes erscheint.

Wie die Staatsanwaltschaft Berlin in einem Schreiben an Professor Goeschel mitgeteilt hat, sind die beschriebenen Rechtsverletzungen, mit denen sich Wilhelm Ernst Wenders Vorteile verschafft hat, mittlerweile verjährt. Im Vatikan sind Rechtsverletzungen aus wirtschaftlichen Motiven sowieso eine häufige Übung, die Sache schadet dem Papstfilmer also auch dort nicht. Der Fettfleck auf der Weißweste bleibt aber schon.

Portrait Markus Söder?

Wenders filmt seit langen Jahren erfolgreich mit dem Mainstream. Es wird nun Zeit für ihn, wenn er nicht aufhören will, sich auf die Post-Merkel-Ära einzustellen und die Attitüde des Nachdenklich-Betrübten abzulegen. Stellen wir uns vor, Wenders dürfte den neuen Bayernpräsidenten und talentierten Strauß-Imitator Markus Söder portraitieren (mit Behördenkreuz!) - würde er derzeit an dieser Aufgabe nicht zerbrechen?