"Rettungsschiffe zu blockieren - eine Schande für Europa!"

Foto: sea-eye.org

Die "Aquarius" setzt Einsätze fort; SOS Mediterranee begeht in Berlin dritten Gründungstag. Über allem schwebt die Frage, wie es mit dem Projekt weitergeht. Ein Kommentar

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Was wird aus dem Rettungsschiff "Aquarius"? Was aus den privaten Seenoteinsätzen im Mittelmeer? Die Lage um die Flüchtlinge und Migranten wie um die Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs), die mit privaten Hilfsschiffen Schiffbrüchige retten, scheint sich zuzuspitzen - aber sie ist nicht eindeutig, sondern ändert sich nahezu täglich.

Vor wenigen Tagen wurde das deutsche Schiff "Aquarius", das unter gibraltinischer Flagge fährt, wider Willen weltbekannt. Mit über 600 aus Seenot Geretteten wurde ihm die Einfahrt in italienische Häfen verwehrt. Daraufhin steuerte es das weit entfernte spanische Valencia an, wo hunderte von Kamerateams auf die Ankunft warteten. Die neue spanische Regierung hatte die Erlaubnis zum Einlaufen erteilt.

Dennoch scheinen die Einsätze an einem Scheideweg zu sein. Augenblicklich liegt ein weiteres Rettungsschiff mit über 200 Menschen an Bord, die "Lifeline", betrieben von der deutsch-spanischen NGO Mission Lifeline, vor Malta und bekommt keine Einfahrtsgenehmigung.

In dieser Situation feierte der Verein SOS Mediterranee, der die "Aquarius" gechartert hat, in Berlin seinen dritten Gründungstag.

"Wir machen weiter"

"Die Lage ist ernst", sagte Kapitän Klaus Vogel, der im Mai 2015 wesentlicher Motor der Gründung war. Allen Verantwortlichen sowie den Rettungsteams ist bewusst, dass es starke politische Kräfte gibt, die ihr Engagement bekämpfen, aber sie haben eine klare Entscheidung getroffen.

"Wir machen weiter", so Vogel. Es gibt für sie keine Alternative. Das Projekt wurde gegründet, um Menschen vor dem Ertrinken zu retten - also retten sie, sagen sie trotzig und vor allem nicht eingeschüchtert.

Die "Aquarius" hat sich von Valencia aus direkt auf den Weg ins sogenannte Rettungsgebiet vor der Küste Libyens aufgemacht, von wo aus die seeuntauglichen Schlauch- oder Holzboote mit den Fluchtwilligen starten.

Schutzsuchende nach Libyen bringen? "Nicht legal"

Die Migranten nach Libyen zurückzubringen, komme nicht in Frage, so Sophie Beau von SOS Mediterranee Frankreich. Das Land, in dem Bürgerkrieg herrsche, Folter, Sklaverei und Vergewaltigungen an der Tagesordnung seien, sei der "schlechteste Platz in der Welt". Schutzsuchende dorthin zu bringen, sei "nicht legal". Nach internationalem Seerecht hat ein Kapitän Gerettete an einen "sicheren Ort" zu bringen, einen Hafen oder ein größeres Schiff.

Das Drama im Mittelmeer ist eine europäische Wunde. Statt die Rettung zur offiziellen Aufgabe zu machen, werden diejenigen, die das privat tun, behindert und blockiert. "Eine Schande für Europa", erklären die SOS Mediterranee-Verantwortlichen.

Nicht nur, dass die Europäische Union kein Rettungsprogramm startet und Italien mit seinem Programm "Mare Nostrum" allein ließ, was dazu beitrug, dass es im Herbst 2014 beendet wurde. Obendrein werden nun diejenigen, die Leben retten, attackiert. Und dafür gibt es ein ganzes Programm.

Der Druck auf die NGOs wird erhöht

Vor einem Jahr wollte Italien die NGO-Schiffe zwingen, sich einem Verhaltenskodex zu unterwerfen, nach dem zum Beispiel italienische Polizisten bewaffnet an Bord kommen dürften. Ein Verstoß gegen internationales Recht, wie unter anderem der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages befand, weil jedes Schiff ein Hoheitsgebiet des Staates darstellt, unter dessen Flagge es fährt.

Dann wurde das deutsche Hilfsschiff "Iuventa" von Italien beschlagnahmt und damit das Projekt "Jugend rettet" zerstört. NGOs zogen ihre Schiffe aus dem Mittelmeer zurück, zeitweise war die "Aquarius" das einzige Boot dort.