Brüssel und Beijing gegen Washington

EU-Staaten und China wollen Freihandel ausbauen und im Falle der USA fragt sich, ob diese sich selbst nicht am meisten mit neuen Zollmauern schädigt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Vertreter der Europäischen Union und der Volksrepublik China haben am heutigen Montag in Chinas Hauptstadt Beijing (Peking) vor zunehmendem Protektionismus gewarnt. Auf ihrem 20. gemeinsamen Gipfel riefen sie nach Angaben der chinesischen Nachrichtenagentur zur "Wahrung der regel-basierten internationalen Ordnung, der Förderung des Multilateralismus und der Unterstützung des Freihandels" auf. (Hier die Mitteilung der EU-Kommission zum Gipfel.)

In einer gemeinsamen Erklärung sprachen sie sich dafür aus, dass die von den reichen Ländern dominierte Welthandelsorganisation WTO der Kern eines multilateralen Systems sein soll. Beide Parteien streben daher einen weiteren Ausbau ihres Vertragssystems an und sprechen sich unter anderem für eine Liberalisierung der Bedingungen für Investoren aus.

Die EU strebt seit langem multi- und bilaterale Verträge an, die es jeweils ausländischen Konzernen erlauben, ihre Streitigkeiten mit Staaten vor internationalen Schiedsgerichten zu tragen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne demokratische Legitimation verhandeln.

Derweil sorgt der handelspolitische Streit zwischen den USA und China weiter für Schlagzeilen, und eine weitere Eskalation erscheint, wie gestern berichtet, wahrscheinlich. Hin und wieder stellen dabei Beobachter die Frage, ob sich die USA mit ihren Tiraden und neuen Zollmauern nicht in den eigenen Fuß schießt.

Eines ist auf jeden Fall sicher: Die Verhältnisse sind komplizierter, als es Populist Donald Trump gerne darstellt. Das fängt dabei an, dass er von einem Handelsbilanzdefizit von 500 Milliarden US-Dollar gegenüber China spricht, seine Statistiker aber nur 376 Milliarden US-Dollar ausweisen.

Der nächste Schritt ist, dass in den US-Statistiken, wie ebenfalls bereits gestern erwähnt, gerne der Handel mit Dienstleistungen übersehen wird. Hier verzeichnen die USA jedoch einen Überschuss gegenüber China, so dass sich ihr Defizit auf rund 336 Milliarden US-Dollar reduziert.

Ein US-Dollar entspricht derzeit 0,86 Euro, wie dieser Umrechner ergibt. Entsprechend sind die genannten Dollarbeträge mit dem Faktor 0,86 zu multiplizieren, wenn man die Angaben lieber in Euro haben möchte.

Außerdem sind drittens die Außenhandelsstatistiken in Zeiten der Globalisierung nicht mehr so einfach zu lesen. Bei einem nicht unwesentlichen Teil der chinesischen Exporte handelt es sich um Re-Exporte, weil nicht nur die Grundstoffe sondern vielfach auch einzelne Komponenten der Waren zuvor importiert worden waren.

Ein aus China importiertes iPhone wird in den US-Statistiken mit einem Wert von 240 US-Dollar aufgeführt. Tatsächlich hat es in China aber nur einen Wertzuwachs von etwas über acht US-Dollar erhalten. Die meisten wertvollen Komponenten stammen aus Japan, Taiwan, Südkorea oder den USA, schreibt Asia Times Online.

Entsprechend würde also ein durch Einfuhrzölle verminderter Absatz der iPhones nicht nur China sondern auch die Hersteller der Komponenten schädigen. In Japan und Südkorea schaut man entsprechend mit Sorge auf die wachsenden Spannungen und die langen Listen von Warengruppen, die mit neuen Zöllen belegt werden sollen.

Dann sind da viertens noch verschiedene Abhängigkeiten der USA von China, auf welche die Nachrichtenagentur Bloomberg hinweist. Bekannt dürfte vielen sein, dass China im großen Maßstab US-Staatsanleihen hält und somit das Defizit der dortigen öffentlichen Haushalte finanziert. Ohne China wären also all die vielen Steuergeschenke an die Reichen und Superreichen kaum möglich.

Zum anderen sorgen günstige Konsumgüter aus China auch dafür, dass die für wenig Geld arbeitende Bevölkerung über die Runden kommt. Werden diese durch Einfuhrzölle verteuert, so wird die Inflationsspirale in Gang gesetzt und der Druck auf die Löhne steigt. Was das im einzelnen bedeuten wird, hängt nicht zuletzt von der Stärke der Gewerkschaften ab.