"Don’t get in trouble with the German police!"

Hofgarten Bonn. Bild: Detlef Huhn/CC BY-SA-4.0

Ein jüdischer Hochschullehrer wird Opfer von Polizeiwillkür, das unwürdige Schaustück spielt a.d. 2018 im Bonner Hofgarten, die Gesetzeshüter erleben eine unverhoffte Lektion in Geschichte

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Die ehemalige kurfürstliche Residenz- und frühere deutsche Bundeshauptstadt Bonn (Regierungssitz 1949-1990) ist seit vergangener Woche um einen Abkracher reicher, und der hat etwas mit polizeilichem Unwesen zu tun. Es trifft ausgerechnet einen Israeli, noch dazu einen Gelehrten, der sich jedoch zu wehren weiß. Angesichts der Umstände könnte man versucht sein zu denken, ein Gespenst aus der (jüngeren) Vergangenheit sei erwacht. Der Vorfall sorgte jedenfalls bundesweit und auch international bereits für Aufsehen. Was ist passiert?

Zunächst ein schlechter Erster Akt: Ein dem Vernehmen nach zwanzigjähriger Bonner mit palästinensischen Wurzeln schlägt dem israelischen Gastprofessor Jitzchak J. Melamed mehrfach die Kippa vom Kopf, pöbelt "Kein Jude in Deutschland!" und schubst den 50-jährigen Philosophen - das alles ereignet sich im prominenten Bonner Hofgarten. Der Angegriffene ruft die Polizei zu Hilfe, währenddessen versucht der Angreifer mit entblößtem Oberkörper zu flüchten, der laut Melamed einen psychisch verwirrten Eindruck machte.

"Abscheuliches Verhalten"

Zwanzig Minuten vergehen, bis die Ordnungshüter eintreffen - mitten in Bonn. Als die Polizei endlich auftaucht, verwechselt sie das Opfer des Übergriffs mit dem Täter und wirft sich mit vier Mann auf den perplexen Professor, der vergeblich ruft, er sei der Falsche. Die Polizisten überwältigen ihn, drücken ihn zu Boden, fixieren seine Hände mit Handschellen auf dem Rücken und schlagen ihn Dutzende Male brutal ins Gesicht, so dass es blutet.

Dann fingen sie an, mir ins Gesicht zu schlagen. Ungefähr 50, 60, 70 Mal - völlig verrückt! Ich war geschockt. Das ist ein abscheuliches Polizeiverhalten, wie man es sonst nur in einem Entwicklungsland findet.

Jitzchak J. Melamed

Die Bonner Polizei hat sich inzwischen entschuldigt, spricht in einer Pressemitteilung von einem "situativen Missverständnis". Der doppelt und dreifach Attackierte bestreitet entschieden, sich in irgendeiner Form zur Wehr gesetzt zu haben: Die Gesetzeshüter seien auf ihn losgegangen, so dass er kaum noch atmen, geschweige denn Widerstand hätte leisten können. Einer der Polizisten habe ihn belehrt: "Don't get in trouble with the German police!" ("Legen Sie sich nicht mit der deutschen Polizei an!").

… und eine Nachhilfestunde für die Polizei

Darauf habe er erwidert: "Mein Großvater wurde 1942 von der deutschen Polizei ermordet, meine Großmutter wurde von der deutschen Polizei ermordet, meine Tante wurde von der deutschen Polizei ermordet, mein Onkel wurde von der deutschen Polizei ermordet. Und ich habe keine Angst mehr vor der deutschen Polizei."

Nach dieser unfreiwilligen Lektion in Geschichte haben, so Melamed, die Bonner Polizisten noch eineinhalb Stunden lang versucht, ihn von einer Beschwerde abzubringen. Schlussendlich hätte man ihm gedroht, sollte er sich über die Polizisten beschweren, so wären sie gezwungen, ihn zu beschuldigen, sich seiner Festnahme widersetzt zu haben.

Die Bonner Polizeipräsidentin hat sich jüngsten Meldungen zufolge mittlerweile persönlich entschuldigt. Ein Ermittlungsverfahren werde eingeleitet. Jitzchak J. Melamed zeigt sich unbeeindruckt: Der einzige Grund, warum ihn die Polizeipräsidentin aufgesucht habe, sei der, dass er Professor an einer amerikanischen Universität sei: "Wäre ich nur ein Underdog der deutschen Gesellschaft, würde sich niemand (für den Vorfall) interessieren."

Melameds Resümee gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ): "Ihr habt ein Problem mit Antisemitismus, aber auch mit brutaler Polizeigewalt".

Update:

Die beschuldigten Polizeibeamten gehören zu einer Einsatzhundertschaft. Nach Informationen des Kölner Stadt-Anzeiger hat man einen der Beamten, einen 28-jährigen Bereitschaftspolizist ("kein erfahrener Kollege"), inzwischen versetzt. Um die Neutralität bei der Aufarbeitung des Vorfalls sicherzustellen, wurde das Polizeipräsidium der Nachbarstadt Köln eingeschaltet. Die Ermittlungen schließen jetzt den Vorwurf der Körperverletzung im Amt und bei allen vier Kollegen den Verdacht auf Strafvereitelung im Amt ein. Die Stadt Bonn plant derweil für Donnerstag einen "Tag der Kippa".

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