Diesel-Skandal: 20 Milliarden Euro Bußgelder gefordert

Bild: Robert-Lehmann/DUH

Noch immer bleibt der Einsatz von Betrugssoftware in Diesel-Pkw in Deutschland weitgehend ungesühnt. Umweltschützer wollen sich nicht damit abfinden

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Seit nun mehr annähernd vier Jahren schwappt der Diesel-Betrug-Skandal durch die Medien, mal auf größere, mal auf geringere öffentliche Aufmerksamkeit treffend (hier eine Chronologie der Ereignisse). Aber mit richtig schmerzhaften Konsequenzen müssen die beteiligten Konzerne hierzulande bisher kaum rechnen.

Wohl gab es die eine oder andere Festnahme – überwiegend in der zweiten und dritten Reihe – und auch ein paar Bußgelder, aber von jenen gut 25 Milliarden Euro, die die bewusst irreführende Manipulation der Emissionswerte auf dem Teststand VW in den USA gekostet haben, ist man hierzulande weit entfernt. Daran zeigt sich unter anderem mal wieder, wie wichtig auch in den Zeiten der Globalisierung die Mutterländer für die Konzerne sind, die bei Bedarf die schützende Hand über sie halten.

Die Frage ist indes, ob sich geprellte Käufer und unter den Stickoxidbelastungen leidende Bürger dies von ihren Regierungen bieten lassen. Die Deutsche Umwelthilfe, die aus dem konservativen und rechtsextremen Lager immer wieder wegen ihrer beharrlichen Aufklärungsarbeit und ihrer Klagen gegen untätige Behörden angegangen wird, ist nicht bereit, die Sache auf sich sitzen zu lassen.

Nach ihrer Ansicht muss Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, "endlich geltendes Recht durchsetzen und Bußgelder in der nach EU-Recht geforderten Höhe gegen die betrügerischen Autokonzerne zu verhängen".

Bei etwa vier Millionen hierzulande zugelassenen Diesel-Pkw seien "betrügerische Abschalteinrichtungen amtlich nachgewiesen". Die DUH geht davon aus, dass in nächster Zeit noch weitere Euro-5- und -6-Diesel-Pkw-Modelle mit Betrugssoftware hinzu kommen und es in Deutschland insgesamt um elf Millionen Pkw geht.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) müsse endlich Geldbußen verhängen. Ein im Auftrag der DUH erstelltes Rechtsgutachten belege, dass Bußgelder auch gegen ausländisch Hersteller verhängt werden könnten, auch wenn gegen diese noch keine deutsche Staatsanwaltschaft ermittelt. Nach EU-Recht sei das KBA sogar gezwungen, Verletzungen der Zulassungsbedingungen wirksam zu ahnden.

Da die illegalen Abschalteinrichtungen bei der Typzulassung nicht angegeben wurden, seien die Übereinstimmungsbescheinigungen der Fahrzeuge ungültig. Sie wurden also mit einer ungültigen Bescheinigung verkauft, was mit einem Bußgeld in Höhe von 5.000 Euro je Fahrzeug geahndet werden müsse. Bei vier Millionen Fahrzeugen ergibt das 20 Milliarden Euro Bußgeld für verschiedene in- und ausländische Hersteller.

Das vor etwa einem Monat von der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen VW verhängte Bußgeld von einer Milliarde Euro, hatte "Aufsichtpflichtverletzung" zum Anlass und bezog sich nicht direkt auf den inländischen Verkauf von Pkw mit ungültiger Bescheinigung. Allein das Bußgeld hierfür würde für VW bei 2,6 Millionen hierzulande mit Betrugsoftware verkauften Dieseln auf 13 Milliarden Euro belaufen.

"Während Bundesverkehrsminister Scheuer wie schon seine Vorgänger nicht willens ist, die gesetzlich vorgeschriebenen Strafen gegen die Konzerne auszusprechen, fordert beispielsweise die französische Antibetrugsbehörde 18 Milliarden Euro Strafe von inländischen und italienischen Herstellern. Doch nicht nur die Beachtung rechtlicher Vorgaben wird durch Minister Scheuer missachtet, auch die Umsetzung der politischen Vereinbarung des Koalitionsvertrags, wie etwa die Durchsetzung wirksamer Hardwarenachrüstung für alle Betrugsdiesel, kommt nicht voran. Während einer Privatperson beim dreimaligen Busfahren ohne Fahrschein eine Gefängnisstrafe droht, schützt Dieselminister Scheuer einseitig die Autokonzerne und lässt die betrogenen Autohalter im Dieseldunst allein."
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Resch weist darauf hin, dass auch die EU-Kommission Strafzahlungen fordert und schlägt vor, dies zweckgebunden einzusetzen. Die Gelder könnten zur Finanzierung der Verkehrswende herangezogen werden. Bahn, Bus und Straßenbahn müssten gestärkt und der motorisierte Individualverkehr aus den Innenstädten weitgehend verbannt werden.

"Es liegt ein eindeutiger Rechtsbruch vor. Es sind illegale Abschalteinrichtungen verbaut worden, die Behörden haben das mit ihren Rückrufen bestätigt. Doch noch immer hatten diese keine rechtlichen Konsequenzen, es werden noch immer keine Bußgelder von den zuständigen Behörden verhängt. Das ist eindeutig rechtswidrig und illegal von Seiten der Behörden, allen voran des Verkehrsministeriums. Ebenso wie sein Vorgänger Alexander Dobrindt weigert sich Andreas Scheuer geltendes Recht durchzusetzen. Dabei sieht unser nationales Recht die Verhängung von Bußgeldern gegenüber Kraftfahrzeugherstellern wegen der Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen eindeutig vor."
Remo Klinger, Rechtsanwalt, Autor des im Auftrag der DUH erstellten Rchtsgutachten

Aufgrund der eingebauten Software werden auf Testständen erheblich niedrigere Stickoxid-Emissionen bzw. deren Vorläufer ermittelt, als im normalen Straßenverkehr tatsächlich anfallen. Die Normen für geringere Emissionen, die so in der Praxis oft um ein Vielfaches überschritten werden, waren von den Regierungen der EU-Mitgliedsländer im Zusammenarbeit mit Parlament und Kommission gesetzt worden, um die Stickoxidbelastungen in den Städten zu senken.

Stickoxide sind sowohl Vorläufersubstanzen für das gesundheitsschädliche Ozon sowie Feinstaub und greifen außerdem auch selbst die Atemwege sowie das Herz-Kreislaufsystem der Menschen an. Besonders gefährdet sind Kinder, Alte und Kranke.

"Man rechnet zum Beispiel mit einer Zunahme der vorzeitigen Todesfälle um 5,5 Prozent pro Zunahme des Jahresmittelwertes von NO2 um 10 Mikrogramm pro Kubikmeter. Da sowohl NO2 als auch Feinstaub Indikatoren für das komplexe, aus Hunderten von Schadstoffen bestehenden Gemisches ‚Luftverschmutzung’ sind, kann dieser Schaden selbstverständlich nicht einfach addiert werden zu den Hochrechnungen, die man so auch für Feinstaub machen kann."
Nino Künzli, Stellvertretender Direktor des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts und Leiter der Abteilung Ausbildung und Training, Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH), Basel

Das Umweltbundesamt (UBA) geht für 2014 von 6.000 vorzeitigen Todesfälle im Zusammenhang mit Herzkreislauferkrankungen auf eine Belastung durch Stickstoffdioxid aus. Knapp 14 Prozent der Asthmaerkrankungen seien von den schädlichen Emissionen verursacht. Acht Prozent der in Deutschland bestehenden Diabetes mellitus-Erkrankungen konnten für das gleiche Jahr auf Stickstoffdioxid in der Außenluft zurückgeführt werd. Dies entspricht etwa 437.000 Krankheitsfällen, heißt es beim UBA. Hier kann bei Interesse mehr über die wissenschaftlichen Hintergründe derartiger Aussage nachgelesen werden.