Theresa May: Rettung in die Sommerpause?

Grafik: TP

In England hat die Premierministerin eine Brexit-Abstimmung im Parlament mit Stimmen von Abweichlern aus der Labour-Party und der Drohung mit Neuwahlen gewonnen - währenddessen legt die totgeglaubte UKIP in Umfragen wieder kräftig zu

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Kurz vor Beginn der bis September dauernden Parlamentsferien scheint es der britischen Premierministerin Theresa May gelungen zu sein, ihren Sturz vorerst abzuwenden. Der wäre mit gewisser Wahrscheinlichkeit erfolgt, wenn die Abgeordneten in Westminster mehrheitlich für einen Antrag des EU-orientierten Teils der Tories gestimmt hätten. Dieser Antrag sah nämlich vor, dass das Vereinigte Königreich automatisch in ein er Zollunion mit der EU verbleibt, wenn man sich bis zum 21. Januar 2019 nicht auf ein anderes Modell einigt.

Dass er mit 307 zu 301 Stimmen abgelehnt wurde, obwohl neben der Mehrheit der Oppositionsabgeordneten auch zwölf EU-orientierte Tories dafür stimmten, verdankt May vier EU-skeptischen Abweichlern aus der Labour-Party. Dass nicht mehr Tories für den Antrag stimmten, erreichte die Premierministerin den Informationen der Times nach dadurch, dass sie den "Whip" (der seit der Serie House of Cards seltener mit dem nur bedingt passenden Ausdruck "Fraktionschef" übersetzt wird) mit einer Neuwahl im Sommer drohen ließ. So eine Neuwahl würde den aktuellen Umfragen nach nicht nur manchen Abgeordneten den Sitz, sondern die Tories insgesamt die Mehrheit kosten.

Eindruck von Befehlen aus Berlin

Die EU-skeptischen Abgeordneten köderte May vorher mit einem Zugeständnis an ihren Rivalen Jacob Rees-Mogg, der durchsetzte, dass an den Häfen im Vereinigten Königreich nur dann gesonderte Zölle für Waren in die EU erhoben werden sollen, wenn die EU umgekehrt auch an ihren Zollstellen die Voraussetzung für die Erhebung abweichender britischer Sätze schafft. Zu dieser Bedingung wollen sich Vertreter Brüssels erst am Freitag äußern.

Dass May mit dem nach ihrem Landsitz benannten Chequers-Plan bei den Tories nicht gut ankam, lag nicht nur an dessen Inhalt (den viele als getarnten Verbleib in der EU kritisieren), sondern auch am Zustandekommen: Dem mit einem guten Draht zum zurückgetretenen Außenminister Boris Johnson versehenem Spectator nach soll die Premierministerin ihren Kabinettsmitgliedern bei der Klausurtagung nämlich bestimmte Änderungen mit dem Hinweis darauf verwehrt haben, diese seien nicht möglich, weil die Formulierungen bereits mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel abgestimmt seien.

Der Eindruck, dass May Befehle aus Berlin empfängt und mit ihrem geplanten Verbleib in einer Warensfreihandelszone, in der die EU weiterhin Regeln vorgeben kann, den Wählerwillen verfälscht, ist einer der sich aufdrängenden Gründe, warum die nach dem fast völligen Verschwinden bei den letzten Kommunalwahlen schon totgeglaubte UKIP (vgl. Englische Kommunalwahlen: UKIP praktisch verschwunden) in Umfragen wieder stark zulegt: Bei Opinium Research um fünf Punkte von drei auf acht Prozent, während die Tories dort um sechs Punkte auf 36 Prozent absacken und jetzt hinter der Labour Party liegen, die unverändert bei 40 Prozent verharrt.

"Conservativism is the New Counter Culture, Populism ist the New Punk"

Dieser Anteil dürfte weiter steigen, wenn der nach dem Brexit-Votum zurückgetretene charismatische Ex-Vorsitzende Nigel Farage (vgl. Der Führer, der anscheinend doch keiner sein wollte) seine Drohung wahr macht und im Falle eines Brexits nach dem Chequers-Plan "ernsthaft überlegt", wieder den Vorsitz zu übernehmen. Ein weiterer Grund für die Wiederauferstehung dürfte sein, dass der konservative Social-Media-Kommentator Paul Joseph Watson Ende Juni in die Partei eintrat. Der Erfinder des Slogans "Conservativism ist the New Counter Culture, Populism is the New Punk", erreicht alleine auf YouTube fast 1,3 Millionen Abonnenten und auf Twitter noch einmal 880.000 Follower.

Watson pflegt ein gutes Verhältnis zu Nigel Farages ehemaligem Chefberater Raheem Kassam, der den UKIP-Vorsitz nach dem Abtreten seines Mentors einer Reihe von deutlich weniger redebegabten Persönlichkeiten überlassen musste. Nun spielt er mit der Idee, 2020 bei der Wahl des Londoner Bürgermeisters anzutreten und den in Sachen Sicherheit bislang eher wenig glücklich agierenden Labour-Amtsinhaber Sadiq Kahn herauszufordern. Die Frage, für welche Partei er dabei kandidieren soll, stellte er bislang nur auf Twitter. Außerdem reiste er mit dem ehemaligen Breitbart-Chef Steve Bannon durch Europa und knüpfte Kontakte von Tschechien bis Italien.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.