Buschkowsky zur Entfernung der SPD vom "Volk": "und sie merkt es nicht"

Der frühere Bürgermeister von Neukölln, bekannt für deutliche Formulierungen, wirft den Sozialdemokraten vor, dass sie zur "Klugscheißerpartei" geworden sind

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Wie wohl die Kritik eines Parteimitglieds ankommt, der die SPD eine "Klugscheißerpartei" nennt? Heinz Buschkowsky, hat der Welt am Sonntag ein Interview gegeben, wo es um die Lage der SPD geht, die nicht besonders gut aussieht (augenblicklich wird schon herausgestellt, wenn die SPD bei einer Umfrage mit 19 Prozent deutlich vor der AfD mit 15 Prozent liegt).

Dabei fällt ihm zur Aussage der Welt-Interviewer Jacques Schuster und Daniel Friedrich Sturm, wonach die SPD doch auch über populäre Personen, früher Frank-Walter Steinmeier, nun Malu Dreyer", verfüge, folgende Reaktion ein:

Stimmt, zwischen Steinmeier und Dreyer passt schon etwas. Da gibt es eine Bandbreite. Die SPD ist nie ein Einheitsbrei gewesen. Heute ist sie auf dem Weg zurück zu Klassenkampf und Volkshochschulpolitik. Avantgarde des Proletariats. Eine Klugscheißerpartei.

Heinz Buschkowsky, Welt am Sonntag

Buschkowsky war als Bürgermeister von Neukölln eine markante Erscheinung - "Buschkowsky hat mit Neukölln eines gemeinsam, beide sind weit über die Grenzen dieses Verwaltungsbezirkes im Südosten der Bundeshauptstadt hinaus bekannt. 13 Jahre regierte Buschkowsky im Rathaus von Neukölln. Seine Bücher haben ihn reich gemacht, den Bezirk noch berühmter", beschrieb es Ramon Schack 2015 (vgl. "Buschkowsky geht, Neukölln bleibt … ).

Auch jetzt, drei Jahre nach dem Rücktritt von seinem Posten, ist sofort Aufmerksamkeit da für Buschkowskys wie immer deutliche und eingängige Formulierungen. Der Spiegel, die SZ, ARD, ZDF, n-tv, rbb usw. viele große Medien titeln mit der "Klugscheißerpartei".

Buschkowsky zeigt mit einem Schlag, dass er noch immer überall ist wie damals, als er sagte, dass "Multikulti" gescheitert ist. Jetzt ist es, die SPD, die als Volkspartei scheitert oder schon gescheitert ist, was ihr Buschkowsky im Spiegel einer Sprache vorhält, die sich deutlich als "nicht abgehoben" präsentiert.

Die Frage wäre, welchen Eindruck das auf die SPD macht. Das Interview (online hinter einer Bezahlschranke, ansonsten in der Druckausgabe der WamS) reiht sich einerseits in die Serie von SPD-Bashings.

Lebensferne der SPD

Es finden sich bekannte Standards ("Merkel ist die beste sozialdemokratische Kanzlerin, die Deutschland je hatte"; "Wenn sich heute zwei unterhalten und der eine sagt, er habe SPD gewählt, dann ist die höhnische Antwort: 'Ach, du warst das".) und handfeste persönliche Kritik am Personal ("Herr Stegner ist dem Sozi-Herzblut nur sehr schwer vermittelbar. Ihm fehlt nahezu alles dazu eine politische Führungspersönlichkeit zu sein, hinter der man sich versammeln möchte." "Die Berliner SPD gilt nicht umsonst als unterirdischster Landesverband der deutschen Sozialdemokratie. Da sind viele Kranke unterwegs." "Eher fällt Schnee in der Wüste" [als dass Michael Müller noch einmal SPD-Spitzenkandidat wird, Einf. d.A.]).

Das Zentrum seiner Kritik macht die Lebensferne der SPD aus, der Abstand zu dem, was Buschkowsky die "lebensreale SPD" nennt, genauer: die frühere lebensreale SPD, zu der er sich selbst zählt. "Der Volkspartei ist das Volk abhanden gekommen", lautet seine Formulierung dazu und der wichtigere Teil dieser Feststellung folgt dann erst: "und sie hat es nicht bemerkt".

Da liegt der neuralgische Punkt. Man kann davon ausgehen, dass die SPD-Führung, selbst wenn sie noch so sehr mit eigenen Karrieren, Befindlichkeiten oder Enttäuschungen befasst ist, sich klar darüber sein muss, dass sich viele Wähler enttäuscht abgewandt haben. Bislang ist aus dieser Einsicht jedoch nichts Neues entstanden.

Buschkowsky ist bei weitem nicht der erste, der der Partei vorhält, dass sie sich "in weiten Teilen von der Lebenswirklichkeit der Sorgen und Nöten der Menschen entfernt".

Dann schwindet das Vertrauen, dass die Bevölkerung dort ihre Zukunft in richtigen Händen weiß.

Heinz Buschkowsky

Was kann die SPD lernen?

Auch dass die SPD politisches Terrain an die Linkspartei und die Grünen wie an die sozialdemokratisierte CDU abgegeben hat, ist nicht neu. Aber trotz aller treffend, konkret und scharf zugeschnittenen Kritik am politischen Personal der SPD und an skandalösen Fehlern wie bei der betrieblichen Altersversorgung mit Direktversicherungen und ihrer schwachen Rolle gegenüber den "Autobossen", Buschkowskys Kritik macht keine neuen Türen auf. Ob die Partei aus seiner Kritik etwas lernen wird?

Es gibt eine Anmerkung, die aus dem Schema vieler SPD-Kritiker fällt. Für Buschkowsky "reicht es nicht aus, gegen die eigenen Hartz-IV-Beschlüsse zu sein". Ob aber eine Reform dieser Beschlüsse nötig ist, ob es für die SPD gut wäre, sich dem Thema Sozialleistungen auf eine andere Weise zu nähern, darüber äußert sich der Politiker im Ruhestand nicht, außer dass er das bedingungslose Grundeinkommen für verrückt hält. Und davor warnt, dass die SPD zu viel Geld ans "Milieu" spendiert:

An Menschen, die weder ihren Eltern noch der Lehrerin zugehört haben. Sie haben keinen Beruf, liegen morgens zu Schichtbeginn(!) noch im Bett, und die Kinder schwänzen die Schule. Sie sind halt benachteiligt und diskriminiert. Das versteht kein Normalbürger.

Heinz Buschkowsky

Auch das reiht sich an andere Bashings, die nicht unbedingt weiterführen. Nimmt man die Aussagen Buschkowskys als Appell an die SPD, sich politisch mehr an einer Haltung auszurichten, die es mit der Lebenswirklichkeit des Querschnitts der Bevölkerung aufnimmt, so können sie in ihrer Direktheit erfrischend sein, weil sie suggerieren, die SPD könnte es vielleicht noch mal schaffen, einen überzeugenden Kurs einzuschlagen.