60 Jahre und kein bisschen weise

Die NASA nähert sich dem Rentenalter und will mit dem dazugehörigen Altersstarrsinn immer noch Menschen auf den Mars schießen.

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Von
  • Peter Glaser

Mit der NASA ist es wie mit schlechter Literatur, der vorgeworfen wird, sie würde Gefühle nicht hervorrufen, sondern nur benennen. Der NASA geht es so mit ihren Zukunftsvisionen: Sie hat keine, aber immer wieder, so auch jetzt zum 60. Geburtstag der Raumfahrtagentur, wird beschworen, es brauche mitreissende Ziele wie die Mondlandung, die damals am 21. Juli 1969 den fernsehenden Teil der Menschheit vor den verrauschten Bildern aus dem Meer der Ruhe vereinte.

Statt beflügelnder Visionen gibt es aber seit Jahrzehnten immer nur denselben alten Käse (ich beziehe mich hier unter anderem auf den Film "Wallace & Gromit – Alles Käse", in dem belegt wird, dass der Mond aus Käse besteht): Wir müssen zum Mars. Wir müssen wieder auf den Mond. Bla. Manchmal taucht sogar wieder eine nur geringfügig veränderte Version der wie ein knuffiger Riesengummireifen durch den Raum radelnden Space Station auf, die Wernher von Braun in den Fünfzigerjahren für Walt Disney entworfen hat.

Als Hacker aus dem Umfeld des Chaos Computer Clubs Ende der Achtzigerjahre zum ersten mal in die Rechner der NASA eindrangen, gehörte zu ihrer Beute ein internes Papier des damaligen NASA-Direktors James Fletcher mit dem Titel "Humans to Mars – Why?" Ja, warum eigentlich sollen Menschen zum Mars, wenn uns seit Jahren in immer schärferer Auflösung großartige unbemannte Rover zeigen: Der Mars ist eine unfruchtbare, lebensfeindliche Wüste.

Stehen Budgetverhandlungen oder Jahrestage an, wird gern wieder Wasser auf dem Mars entdeckt. Aktuell ist von einem riesigen See die Rede; liest man etwas genauer, ist es ein See anderthalb Kilometer unter dem Eis auf den Polkappen; liest man noch ein wenig genauer, heißt es, es gebe "Hinweise".

Und Budget kann die NASA immer gut gebrauchen. Sigmar Wittig, bis 2007 Vorsitzender des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, schätzte die Gesamtkosten für die Internationale Raumstation auf etwa 100 Milliarden Dollar. Jeder Space Shuttle-Flug kostete 900 Millionen Dollar. Das ist ziemlich viel Geld für ziemlich wenig Nutzen. Private Raumfahrtunternehmen, die modernen Spielsachen von Milliardären wie Jeff Bezos (Blue Origin) Elon Musk (Space-X) und Richard Branson (Virgin Galactic), sollen es kostengünstiger machen.

Der einzige Nutzen der bemannten Raumfahrt, der einem nach längerem Nachdenken einfällt, ist die Entwicklung von Kugelschreibern, mit denen man auch an der Decke schreiben kann. Das amerikanische Mondlandeprogramm hat 250 Milliarden Dollar gekostet. Das immer wieder als Beispiel angeführte Teflon wurde 1938 von Roy Plunkett in einem Labor der Chemiefirma DuPont erfunden und 1943 beim Bau der ersten Atombombe als Schutzschicht gegen aggressive Uran-Verbindungen angewendet. Colette Grégoire, die Frau eines französischen Chemikers, hatte 1954 die Idee, Töpfe und Pfannen mit Teflon zu beschichten, und nicht die NASA. Dabei hatte die NASA fast schon die Kurve gekriegt und sich in ernsthaften Ausmaß um die Probleme des Planeten Erde zu kümmern begonnen.

Den ganzen bemannten Raketenkram, ein Überbleibsel aus dem kalten Krieg, still einschlafen zu lassen und sich auf funktionale Kommunikationssatelliten, Navigationssysteme und auf geheimes Militärzeugs zu beschränken, wäre kein Problem gewesen. Leider versucht US-Präsident Trump nun ausgerechnet den vitalsten Teil der Agentur trockenzulegen, da er den Klimwandel für eine linke Verschwörungstheorie hält.

Im Übrigen hat das Internet die Vorstellung von Raumfahrt grundlegend verändert. Das Weltall ist nun nach innen verlegt, in den Cyberspace. Das Netz ist die Demokratisierung der Raumfahrt. Diesmal kann jeder mitfliegen.

(bsc)