Im Dienst der Menschlichkeit

Daten umweht der Hauch von Kälte und Technokratie. Der inzwischen verstorbene Hans Rosling zeigt, wie sich eine sorgfältige Analyse mit menschlicher Wärme verbinden lässt.

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Als Arzt und Forscher war Hans Rosling in der halben Welt unterwegs, um etwa bei Seuchenausbrüchen zu helfen. Dabei stieß er immer wieder auf ein verstörendes Phänomen: Selbst hochgebildete Menschen unterschätzen systematisch die Fortschritte bei Armut, Gesundheit und Bildung. Auf Fragebögen zu aktuellen Impfquoten oder zum Schulbesuch von Mädchen tendieren sie regelmäßig zur pessimistischsten Antwort – und erreichen damit schlechtere Trefferquoten, als wenn sie schlicht gewürfelt hätten.

Also begann Rosling – Professor für Internationale Gesundheit am Karolinska Institutet und Gründungsmitglied der Ärzte ohne Grenzen – eine zweite Karriere als eine Art Datenpädagoge und gründete die Gapminder-Stiftung. Sie unterstützt die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen durch gut aufbereitete Statistiken und entsprechende Software.

Dabei setzte der Schwede neue Maßstäbe bei der Datenvisualisierung. In seinem bekanntesten Vortrag stellte er mit einem animierten Blasendiagramm innerhalb von vier Minuten dar, wie sich Einkommen und Lebenserwartung in 200 Ländern in den letzten 200 Jahren verändert haben. Auf YouTube bekam er Millionen Klicks.

Seine zentralen Botschaften: Tendenziell hat sich die Lage auf breiter Front verbessert. Und es gibt keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Erster, Zweiter und Dritter Welt. Die Lebensverhältnisse hängen in erster Linie nicht von Kontinent oder Kultur ab, sondern von einem einzigen Faktor: dem Einkommen. Dieses ist oft innerhalb eines Landes ungleicher verteilt als zwischen Ländern angeblich unterschiedlicher Entwicklungsstufen. Rosling zeigt, dass uns ein genauer Blick auf die Daten vor den eigenen Vorurteilen und fehlgeleiteten Instinkten bewahren kann.

Dabei betont Rosling regelmäßig, kein naiver Optimist zu sein. "Ich fordere Sie nicht dazu auf, sich keine Sorgen zu machen. Aber ich fordere Sie auf, sich über die richtigen Dinge Sorgen zu machen." Dies sind für ihn: eine globale Pandemie, ein Finanzkollaps, ein Dritter Weltkrieg, der Klimawandel und extreme Armut.

Im Februar 2017 starb Hans Rosling. Gemeinsam mit seinem Sohn und seiner Schwiegertochter hatte er das Buch bis dahin fast fertig. Es ist das Vermächtnis eines reichen Lebens. Stellenweise ist es allerdings arg pädagogisch ausgefallen: Seine zentralen Argumente wiederholt Rosling wieder und wieder. Spannender sind die Anekdoten aus seinem Leben, in denen er bekennt, wie oft auch er sich schon durch einen oberflächlichen Anschein hat täuschen lassen – auch wenn es um Leben und Tod ging.

Hans Rosling mit Anna Rosling Rönnlund und Ola Rosling: Factfulness. Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist, Ullstein, 400 Seiten, 24 Euro (E-Book: 22,99 Euro)

(bsc)