Windenergie bringt mich nicht um den Schlaf

Die WHO nennt Schwellenwerte für Lärm durch Windkraftanlagen, Straßen- und Schienenverkehr. Dabei lassen sich gesundheitliche Auswirkungen kaum vergleichen.

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Von
  • Anton Weste

Windkraftanlagen sollen tagsüber im Schnitt nicht lauter als 45 Dezibel sein, empfiehlt die WHO. Darüber liegende Werte können gesundheitsschädlich sein. Diese Empfehlung ist gut, denn in Deutschland gilt derzeit für genehmigungspflichtige Anlagen nahe Wohngebieten ein Grenzwert von 55 Dezibel – das ist etwa doppelt so laut wie die Empfehlung der WHO. Ein Argument für alle, die hier für geringere Lärmimmissionen kämpfen.

Stutzig macht mich die im gleichen Aufwasch gegebene Empfehlung bei weiteren Lärmquellen. Die durchschnittliche Lärmbelastung durch Straßenverkehr soll tagsüber nicht mehr als 53 Dezibel betragen, bei Schienenverkehr nicht mehr als 54 Dezibel und für Flugverkehr nicht mehr als 45 Dezibel. Die nächtlichen Richtwerte sind 45 Dezibel für Straßenverkehr, 44 Dezibel für Schienen- und 40 Dezibel für Luftverkehr.

Das stetige Geräusch einer Windkraftanlage bei Wind lässt sich nur schwer mit dem periodischen An- und Anschwellen des Lärms bei herandonnernden Flugzeugen und Güterzügen vergleichen. Leider funktioniert etwa bei Schienenverkehrslärm die Messlogik genau so: Es wird ein Mittelwert errechnet, statt die Spitzen zu betrachten. Nachts kann also dreimal in der Stunde an einer Bahnstrecke für kurze Zeit ein Güterzug rumpeln, knirschen und seine herrlichen Grauguss-Sohlen-Bremsen quietschen lassen, dass die Anwohner aus dem Bett fallen. Wenn aber in der übrigen Zeit dieser Stunde Stille herrscht, erfüllt der betreffende Streckenabschnitt dennoch seine Lärmschutzvorgaben. So will es die Verordnung.

Mit der EU-Umgebungslärmrichtlinie wurde 2012 die Geräuschbelastung der Bevölkerung auf Haupteisenbahnstrecken erfasst. Demnach sind rund 950.000 Menschen in Deutschland ganztags Pegeln von mehr als 65 dB(A) ausgesetzt, nachts sind 1,9 Millionen Menschen mit Pegeln von mehr als 55 dB(A) belastet. Ich bin einer von ihnen, die Hauptstrecke Hannover-Berlin führt neben meinen Fenstern vorbei. Auf den Lärmkarten des Eisenbahn-Bundesamtes kann man die durchschnittliche Belastung in seiner Umgebung betrachten.

Immerhin, die Lärmaktionspläne laufen. Die Deutsche Bahn will gegenüber bis 2020 ihren Schienenverkehrslärm halbieren (gegenüber dem Jahr 2000) und sagt, das Vorhaben sei im Soll. Zum Beispiel erhalten die Züge leisere Bremsen. Das betrifft vor allem Neuanschaffungen, ältere Güterzüge dürfen vorerst in bester Vorkriegstechnik herumknirschen und mir den Schlaf rauben. Ich bin gespannt, wie leise der Schienenverkehr 2020 tatsächlich sein wird, aber ich prophezeie: Auch dann würde ich lieber die stetigen Geräusche einer Windkraftanlage auf mich nehmen, als den Lärm einer Bahnstrecke.

(anwe)