5G-Mobilfunk im Feldversuch: Telekom, Nokia und Hamburger Hafen präsentieren erste Ergebnisse

Die Mobilfunkbranche möchte die kommende 5G-Technik neuen Kunden in der Industrie schmackhaft machen. Der erste Feldversuch sieht vielversprechend aus.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 117 Kommentare lesen
5G-Keimzelle: Hamburger Hafen, Telekom und Nokia demonstrieren Einsatzmöglichkeiten

(Bild: Nokia)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Dusan Zivadinovic

Die Hamburger Hafenbehörde (Hamurg Port Authority, HPA), der Netzbetreiber Deut­sche Te­le­kom und der Netzwerkzulieferer No­kia haben am gestrigen Dienstag erste Ergebnisse ihres gemeinsamen 5G-Mobilfunkfeldversuchs vorgestellt. Weltweit handelt es sich dabei um den ersten Feldversuch unter indus­tri­el­len Be­din­gun­gen. Den Start gaben die drei Partner im Februar 2018. Das von der EU geförderte Pro­jek­t namens MoN­Arch ist auf zwei Jah­re an­ge­legt.

Der Feldversuch ist für die Mobilfunkbranche bedeutsam, weil sie mit dem 5G-Mobilfunk anders als mit bisherigen Techniken der zweiten, dritten und vierten Generation (2G, 3G, 4G) nicht nur Sprache und Internet-Daten übertragen (Mobile Broadband), sondern zwei neue Anwendungsfelder bewirtschaften will. Beide gehören genau besehen zum Internet der Dinge (Internet of Things, IoT).

Man unterscheidet Spezifikationen für die "massive machine type communication" und die "critical machine communication". Beispiele für den ersten Bereich sind schmalbandige Anwendungen etwa für die Messwerterfassung (Wasserzähler). Entsprechende Modems kommen mit kleinen Batterien jahrelang aus. Die critical machine communication soll eine sehr zuverlässige Signalübertragung gewährleisten und damit zum Beispiel in der Industriefertigung Kabel an den Stellen ersetzen, an denen sie hinderlich sind (z. B. Anlagen- und Robotersteuerung).

Die Hamburger Behörde, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, ist Eigentümerin des Großteils der Hafengrundstücke. Sie bietet mit dem Hafen eine günstige Industrieumgebung für Mobilfunkfeldversuche. Das Gebiet nimmt mit rund 8000 Hekt­ar etwa ein Zehntel der Fläche Hamburgs ein. Für Testgebiete ist das ein ungewohnt gro­ßes öffentliches Are­al unter einer Leitung. Die HPA erhofft sich von der Zusammenarbeit Impulse für die Weiterentwicklung und Digitalisierung der Hafeninfrastruktur.

Um die neuen Spezifikationen unter realen Bedingungen zu prüfen und zu erhärten, haben die Partner seit Beginn des Feldversuchs im Februar ein 5G-Testnetz mit zwei Zellen im 700-MHz-Bereich aufgesetzt, das weite Teile des Hamburger Hafens abdeckt. Die Praxistauglichkeit prüfen sie anhand von drei Beispielanwendungen.

Sie stellen sehr unterschiedliche Anforderungen an ein Kommunikationsnetz (z. B. Bedarf an hohen Datenraten oder kurzen Latenzen oder an hoher Zuverlässigkeit der Datenzustellung, etc.). Die 5G-Technik lässt sich dafür mittels Network Slices bedarfsgerecht konfigurieren. Im Prinzip handelt es sich dabei um vir­tu­el­le Net­ze mit unterschiedlichen Eigenschaften in einem realen Netz.

Ampelanlage, die Rückseite: Dieses Exemplar ist sogar mit zwei Modems ausgerüstet. Im oberen hellgrauen Gehäuse steckt ein LTE-Modem für den Wartungszugang. Im unteren Gehäuse ist ein 5G-Prototyp untergebracht, der die Verbindung zum Leitstand herstellt.

(Bild: Dusan Zivadinovic)

Für das erste Beispiel haben die Partner drei von fünfzig Schiffen der Hafenbehörde mit Sensoren ausgerüstet, die mittels 5G-Prototypen-Modems Positions- und Umweltdaten an den Leitstand liefern. Bei erreichen der Serienreife könnte die Technik zum Beispiel Lotsen im Hafengebiet unterstützen. Im zweiten Beispiel wird eine Ampelanlage aus der Ferne geschaltet. Ergebnisse dieses Teils des Feldversuchs möchte die HPA verwenden, um künftig den Straßenver­kehr im Hafengebiet zwecks Stauvermeidung besser zu steuern.

Im drit­ten Bei­spiel testen die Partner ihr Netz auf Highspeed-Tauglichkeit, wobei es einer definierten Anwendergruppe hohe Datenraten mit möglichst kurzer Latenz zur Verfügung stellen soll. Als Beispielanwendung dient Aug­men­ted Rea­li­ty (AR). Da­mit lassen sich zusätzliche Ge­bäu­de­da­ten von künf­ti­gen oder ehe­ma­li­gen Bau­wer­ken in das Sichtfeld eines AR-Brillenträgers einblenden. Kurze Latenzen sind dabei essentiell, damit aus der Ferne eingeblendete virtuelle Objekte dem Bild der realen Umwelt möglichst nicht wahrnehmbar nachhängen. Andernfalls stellt sich beim AR-Brillenträger umgehend Übelkeit ein.

Im 5G-Umfeld könnten In­ge­nieu­re die AR-Technik bei der Über­wa­chung und Op­ti­mie­rung von Bau­pla­nun­gen im Ha­fen­ge­biet nutzen. Ein Leitstand könnte dann ergänzende Informationen als AR-Elemente für Fachleute vor Ort einblenden. In einer rund zehnminütigen AR-Demonstration in den Räumen der Hafenbehörde klappte das schon sehr gut. Dabei haben die Partner eine Skype-Videoverbindung inklusive Sprachübertragung für AR-Einblendungen eingesetzt.

Network Slicing grafisch dargestelt: Der obere Network Slice befördert größere Mengen an zeitlich unkritischen Internet-Daten. Das wirkt sich nicht auf den Verkehr im unteren Network Slice aus. Damit bleibt die Latenz kurz und die Ampelanlage – oder später einmal zum Beispiel eine Anlagensteuerung – ist jederzeit umgehend vom Leitstand aus ansprechbar.

(Bild: Dusan Zivadinovic)

Beide Spezifikationen, die massive machine communication und die critical machine communication konzipiert die Mobilfunkbranche eigens für die Industrie im Rahmen der 5G-Grundlagenforschung; sie erhofft sich viele ihrer künftigen Kunden in der Fer­ti­gungs­in­dus­trie und der Lo­gis­tik­bran­che. Nokia, Telekom und die HPA erwarten daher vom Feldversuch wichtige Ergebnisse für die praktische Umsetzung der Spezifikationen.

Ant­je Wil­li­ams, Exe­cu­ti­ve Pro­gram Ma­na­ger 5G der Deut­schen Te­le­kom: "Die­ses EU-Pro­jekt bie­tet eine her­vor­ra­gen­de Mög­lich­keit, wich­ti­ge As­pek­te der neu­en 5G Tech­no­lo­gie zu­sam­men mit un­se­rem Kun­den HPA zu tes­ten und ent­spre­chend sei­ner Be­dürf­nis­se wei­ter­zu­ent­wi­ckeln". Jens Mei­er, CEO der HPA sagte: "Wir ha­ben durch das Test­bed jetzt ei­nen ers­ten Ein­druck be­kom­men, wel­ches enor­me Po­ten­zi­al uns 5G und ins­be­son­de­re die Mög­lich­keit des Net­work Sli­cing bie­ten wird. Für mich ist der neue Stan­dard Grund­la­ge, um an­spruchs­vol­le Auf­ga­ben aus der In­dus­trie zu lö­sen und der Di­gi­ta­li­sie­rung hier end­gül­tig zum Durch­bruch zu ver­hel­fen.“

In der zweiten Hälfte des auf zwei Jahre angesetzten Feldversuchs soll es unter anderem um die Skalierung gehen. Beispielsweise könnten mehr Schiffe an das 5G-Netz angebunden werden, um den Einsatz für das Flottenmanagment zu prüfen. Doch während erste 5G-Smartphones und -Tablets bereits Ende 2019 in den Handel kommen könnten, brauchen die 5G-Industrieanwendungen noch einige Jahre mehr bis zur Serienreife. (dz)