Zu wenig Zeit für die Zeitumstellung

Wie erzeugt man am schnellsten Chaos? Eine geplante Zeitumstellung zwei Tage vorher absagen.

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Von
  • Anton Weste

Wie sehr gemeinsame Normen doch für Handlungs- und Planungssicherheit sorgen, bemerkt man erst, wenn sie verschwinden. Ich war kürzlich in Marokko. In der Nacht meiner Ankunft sollte eigentlich die Zeitumstellung von Sommer- auf Winterzeit stattfinden. Allerdings blieb das aus. Dafür stellte sich eine ordentliche Portion Verwirrung ein.

Die Regierung hatte zwei Tage zuvor beschlossen, auf den Wechsel der Uhrzeit zu verzichten und bei der Sommerzeit zu verbleiben. Damit befindet sich Marokko nun faktisch mit Paris, Berlin und Rom in der Mitteleuopäischen Zeitzone, statt wie bislang in der Westeuropäischen mit Lissabon und London.

Dieser spontane Entschluss führte zur Ratlosigkeit: Während viele öffentliche Uhren ab dem 28. Oktober die gemäß Beschluss korrekte Uhrzeit UTC+1 anzeigten, behaupteten Funkwecker und Handyuhren nach wie vor, es sei UTC. Die Datenquelle aus der Internetgeräte ihre Netzzeit beziehen, wurde nicht rechtzeitig aktualisiert. Webseiten waren sich uneins über die marokkanische Zeit. Die Verunsicherung war groß. Die Fluglinie Royal Air Maroc ließ sicherheitshalber sämtliche Flüge eine Stunde verspätet starten, um auch chronographisch verwirrte Passagiere mitnehmen zu können.

Und das Problem löste sich nur langsam auf. Nutzer von iPhones und Mac erhielten von Apple erst fünf Tage nach der ausgefallenen Zeitumstellung ein Update, das die Zeit in Marokko korrekt anzeigte. Als ich sechs Tage danach von Casablanca nach Frankfurt flog, zeigten die Bildschirme für die Passagiere im Flugzeug noch immer die falsche Uhrzeit an.

So richtig Gedanken um dauerhafte Auswirkungen hatte man sich auch nicht gemacht. Damit Schulkinder nicht im Dunken zur Schule müssen, wurde der Schulbeginn für das Winterhalbjahr von 8 Uhr auf 9 Uhr verschoben, dafür allerdings die zweistündige Mittagspause auf eine einstündige Pause gekürzt. Das führte einerseits zu vielen Kindern, die morgens für eine Stunde unbeaufsichtigt sind, wenn die Eltern schon um 8 Uhr zur Arbeit müssen. Und andererseits zu vielen Schülern, die mittags nicht mehr zum Essen nach Hause gehen können, da die Pause dafür zu kurz war. Schulkantinen gibt es kaum. Es kam zu Protesten an marokkanischen Schulen.

Das Beispiel Marokko zeigt, dass Fummeleien am Zeitsystem gut durchdacht und mit langer Vorlaufzeit beschlossen werden müssen. Die Europäische Komission hat angekündigt, im Frühjahr 2019 ein letztes Mal auf Sommerzeit umzustellen. Ob die Mitgliedstaaten im Herbst 2019 wieder auf Winterzeit wechseln, sei jeder Nation einzeln überlassen. Je nachdem, wie lange sich die Entscheidungsfindung hinzieht, könnte in manchen Ländern ein ähnliches Chaos drohen wie in Marokko.

(anwe)