Unspektakuläre Sensationen

Wenn die Gegenwart immer mehr dem ähnelt, was vor kurzem noch Science Fiction war – was hält dann die Zukunft noch bereit?

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Peter Glaser

Würde ein Mensch des 18. Jahrhunderts durch ein Zeitloch in ein heutiges Wohnzimmer fallen, er wäre umgeben von schierer Magie. Gespräche und Bilder aus allen Fernen fließen rätselhaft herbei. Mit Zauberhand werden wundersame Fenster an kleinen Kästen bedient, die aus sich selbst zu leuchten vermögen wie der geheimnisvolle Karfunkelstein. Für uns ist es Alltag im Kommunikationszeitalter, Signale auf großen und kleinen Displays. Unspektakulär.

Ständig von Neuem fasziniert zu sein, ist nicht möglich. Erstaunen ist immer nur ein Augenblick der Verwandlung. Das Neue erhebt sich für ein paar Momente aus der langweiligen Unendlichkeit des Beständigen, dann verschwindet es wieder oder es wird alltäglich. Früher haben Kunst und Magie die Menschen in Erstaunen versetzt, heute sind es Technik und Wissenschaft.

In ihrem Buch "Where Wizards Stay Up Late" über die Ursprünge des Internet schreibt die amerikanische Autorin Katie Hafner über das neue Lebensgefühl: "Amerikas Romanze mit den Highways hat auch nicht damit begonnen, dass jemand Straßen begradigt, asphaltiert und mit weißen Streifen in der Mitte bemalt hat, sondern damit, dass einer auf den Trichter kam, seinen Wagen wie James Dean die Route 66 runterzufahren, das Radio laut aufzudrehen und eine gute Zeit zu haben."

Was auf jeden Fall stattfindet, ist eine Profanisierung der technologischen Entwicklungen, um den immer verdächtigen technikeuphorischen Aufwallungen eine gewisse überlebensnotwendige Coolness entgegensetzen zu können Als in der Medizintechniksparte der japanischen Firma Hitachi ein neues bildgebendes Verfahren für Gehirnfunktionen entwickelt wurde, war eine der Testanwendungen für den Prototypen die Gedankensteuerung einer Modelleisenbahn, die das Unternehmen auch vermarkten will.

Wir sehen Spielzeug mit Mind Control wie etwa Necomimi – flauschige Katzenohren zum Aufsetzen –, die Gehirnwellen abgreifen und sich aufrichten, wenn man sich konzentriert und sich entspannen, wenn man relaxed ist. Dazu passend gibt es noch einen niedlichen Katzenschweif namens Shippo, der wedelt, wenn ihm die Meßwerte nahelegen, dass man sich gut fühlt.

"Der technische Fortschritt wird es uns eines Tages ermöglichen, unsere Gefühle und Gedanken drahtlos mit Freunden zu teilen", glaubt Facebook-Gründer Mark Zuckerberg – wir sind mitten im parapsychologischen Mainstream angekommen. Zuckerberg stellt sich dazu eine Art Telepathie über das Internet vor: "Du wirst einfach an etwas denken und deine Freunde werden im gleichen Moment in der Lage sein, deine Gedanken mitzuerleben", sagte Zuckerberg in einem Chat auf seiner Facebook-Seite.

Wie die Internet-Telepathie genau funktionieren soll, erklärte er nicht, befand aber: "Meiner Überzeigung nach werden wir uns eines Tages mit einer entsprechenden Technologie umfangreiche Gedanken direkt zueinander schicken können."

(bsc)