Große Aufregung: Ein Russe könnte morgen zum Interpol-Präsidenten gewählt werden

Aleksandr Prokopchuk könnte Interpol-Präsident werden, Transatlantiker schüren Angst. Bild Russisches Innenministreium

US-Senatoren beklagen, damit würde ein Fuchs zur Aufsicht eines Hühnerstalls, Bill Browder, den Russland gerade wegen Mordverdachts anklagte, sagte, damit käme die Mafia an die Macht

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Große Aufregung in transatlantischen Kreisen, angefeuert von Bill Browder, vom Hedgefondkapitalisten oder "Investor" zum Menschenrechtsaktivisten geläutert, und Ex-Oligarch Michail Chodorkowski. Interpol wird morgen auf der Interpol-Generalversammlung in Dubai einen neuen Chef bekommen. Es könnte Aleksandr Prokopchuk. Generalmajor der russischen Polizei und einer der Interpol-Vizepräsidenten, werden. Gerade wurde Browder von der russischen Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Mord an Magnitski und anderen angeklagt. Browder nennt sich mittlerweile den größten Feind Putins. Er war bekannt worden, weil er letztlich Putin bezichtigte, am Tod seines Buchhalters Magnitski im Gefängnis schuld zu sein, um einen Steuerbetrug zu kaschieren. Deswegen wurde freilich in Russland gegen Browder und Magnitski ermittelt.

Die Washington Post veröffentlichte einen Kommentar von Browder, der als "Aktivist" vorgestellt wird, weil er den "Global Magnitsky Act" durchgesetzt hat, zunächst gegen Russland, dann auch gegen Personen aus anderen Ländern, die der Menschenrechtsverletzung verdächtigt werden. Entschieden wandte sich Browder, der wohl ebenso wie der Milliardär Chodorowski, beide hatten sich in der wilden Zeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion bereichert, Angst hat, auf die Interpol-Liste zu kommen. Browder war schon einige Male kurz mit einer "Red Alert" gesucht worden, dem er sich aber entziehen konnte. Chodorkowski lebt mit seinen Milliarden seit seiner Begnadigung 2013 in der Schweiz, seit 2015 wird in Russland wieder wegen Mordes an einem Bürgermeister der Stadt Neftejugansk 1998 gegen ihn ermittelt.

Browder spannt in der Washington Post den großen Bogen mit vielen Behauptungen und Verteuflungen, wie man es von ihm gewohnt ist:

At first, I thought this must be a joke. Russia has demonstrated some of the most criminal tendencies of any country in the world. Its agents used a military-grade chemical weapon in an attack in Salisbury in Britain. Russian missiles murdered 298 innocents on Flight MH17 over Ukraine. And the Kremlin’s operatives have interfered with elections in the United States and Europe. Russia shouldn’t even be on the list of countries that could provide a leader for Interpol.

In Newsweek sagte er, wenn Russland Interpol übernehmen würde, dann wäre das, als wenn die Mafia die globale Strafverfolgung in Händen hätte. Gerade erst wurde der von Browder initiierte Magnitski-Menschenrechtspreis an den russischen Oppositionspolitiker Alexei Navalny, Oleg Sentsow, Eliot Higgins (Bellingcat) und den verstorbenen Senator John McCain verliehen. Meghan McCain, die Tochter, nahm den Preis an, sie bezeichnet Putin als "Diktator".

Beschuldigt wurde Browder am Montag von der russischen Staatsanwaltschaft, höchstwahrscheinlich den Befehl gegeben zu haben, Magnitski im Gefängnis zu vergiften. Überdies seien drei andere Personen, die mit Browders illegalen Aktivitäten vertraut gewesen seien, zwischen 2007 und 2009 ums Leben gekommen, als gegen Browder und sein Unternehmen in Russland ermittelt wurde. Auch die drei Männer seien vor ihrem Tod vergiftet worden, es soll sich angeblich um ein wasserlösliches Aluminiumtoxin handeln. Moskau werde seine Auslieferung als Anführer eines internationalen kriminellen Unternehmens, das in Geldwäsche verstrickt sei, fordern. Die Staatsanwaltschaft äußert den Verdacht, die Männer seien getötet worden, um Komplizen loszuwerden. Letztes Jahr war Browder in Russland schon wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden. Browder ist ein Amerikaner, der 1998 aus Steuervermeidungsgründen seine amerikanische Staatsbürgerschaft aufgab und wie viele russische Oligarchen sich in Großbritannien ansiedelte.

Bild: Bill Browder: Bild: Piraya Film AS/ Tore Vollan

Nicht nur Browder und Chodorchowski sind empört, wenn ein russischer Polizist an die Spitze von Interpol käme, vier amerikanische Senatoren - die Republikaner Roger Wicker und Marco Rubio und die Demokraten Jeanne Shaheen und Chris Coons - haben eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie die Trump-Regierung und die Interpol-Generalversammlung auffordern, sich einer möglichen Wahl von Prokopchuk zu widersetzen. Das sei so, als würde man einen Fuchs die Aufsicht über einen Hühnerstall geben. Russland missbrauche Interpol, Prokopchuk sei persönlich an der "Einschüchterungsstrategie" beteiligt gewesen, die demokratischen Institutionen zu schwächen.

Nicht die litauische Regierung, sondern bislang nur ein Entwurf für eine Erklärung des Parlaments ruft dazu auf, die Wahl von Prokopchuk zu verhindern. Falls dieser zum Präsidenten gewählt würde, würde Litauen überlegen müssen, aus Interpol auszuscheiden. Die Rede ist von weiteren Ländern, die mitziehen könnten, sie werden aber in der Erklärung nicht genannt.

Bild beteiligt sich auch: "Übernimmt Putin die "Weltpolizei"?. Und: "Aufstand im Bundestag gegen Putins Kandidaten. Browder ist auch bei Bild Stichwortgeber und behauptet, Russland habe viele der Interpol-Mitgliedsstaaten bestochen. Norbert Röttgen und Roderich Kieswetter hätten sich dagegen ausgesprochen, auch zwei FDP-Abgeordnet und der Grüne Manuel Sarrazin.

Kreml-Sprecher Dmitry Peskov sagte heute, die Erklärung der US-Senatoren sei "wahrscheinlich eine Einmischung in die Wahlen einer internationalen Organisation. Wie soll man das sonst sehen?"

Siehe auch: Groteskes politisches Spiel nach dem Trump-Putin-Treffen

Putin, Rechtshilfe und Bill Browder

Bill Browder und seine Geschichte vom Tod des angeblichen Whistleblowers Magnitski

Magnitski-Fall: Die Erinnerungslücken des Bill Browder