Vor 50 Jahren: Die Mutter aller Demos

90 Minuten lang wurde vor 50 Jahren 1000 Zuschauern gezeigt, wie in Zukunft Mensch und Computer zusammenarbeiten. Zur Erinnerung an die "Mutter aller Demos".

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Vor 50 Jahren: Die Mutter aller Demos
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Am 9. Dezember 1968 waren die Teilnehmer der Herbsttagung der Association for Computing Machinery mit einem Flyer eingeladen, sich die Demonstration eines interaktiven Computers durch Douglas Engelbart anzuschauen. Rund 1000 Teilnehmer besuchten die Vorführung, an der Engelbart und sein Team vom Augmentation Research Center (ARC) am Stanford Research Institute über ein Jahr lang gearbeitet hatten. Die Vorführung, die von Fernsehkameras aufgezeichnet wurde, gilt heute als "Mutter aller Demos".

Was die Zuschauer an diesem regnerischen Nachmittag erlebten, war eine Demonstration, wie interaktive Computer vom Menschen zur "Intelligenzverstärkung" (augmenting human intellect) eingesetzt werden können, so der Ausdruck von Douglas Engelbart. In der sorgfältig ausgearbeiteten Vorführung wurde gezeigt, wie Hypertext funktionieren könnte, wie eine grafische Oberfläche aussehen könnte und wie Gruppenarbeit mit mehreren Workstations in einem oN-Line-System auch über größere Distanzen möglich wird. In der Zukunft, so versprach Engelbart, werden Menschen an Bildschirmen sitzen, Symbole mit einer Maus oder mit dem Knie über den Bildschirm wandern lassen und Informationen mit einer Akkordtastatur (chording keyboard) eingeben und via Modem verschicken.

Fast alle Teilnehmer der Vorführung waren von ihr schwer beeindruckt. Stewart Brand, der sie als Kameramann aufzeichnete, wie hier auf Bild 10 zu sehen ist, beschrieb Engelbarts Vision in seinem einflussreichen Whole Earth Catalogue. Der Prankster-Gründer Ken Kesey verglich die Vorführung mit der psychedelischen Erfahrung eines LSD-Trips. In der Informatik und der Software-Entwicklung hinterließ die Demo ihre weit verzweigten Spuren, wie vor 10 Jahren beschrieben. Selbst die frühe PC-Industrie profitierte abseits der Maus von der Arbeit von Douglas Engelbart. Sein Labor wurde später an die Firma Tymshare verkauft, deren Time-Sharing-Angebote von Bill Gates und Paul Allen genutzt wurden, als sie ihre ersten BASIC-Versionen entwickelten.

Zum Jubiläum der "Mutter aller Demos" veranstaltet das Computer History Museum in Zusammenarbeit mit Google ein Symposium mit Rednern wie dem WWW-Vater Tim Berners-Lee, dem Hypertext-Papst Ted Nelson und Martin Hardy, dem Techniker, der das NLS System damals am Laufen hielt. Auch der Informatiker Andries van Dam ist mit von der Partie. Er gab der Vorführung indirekt den Namen, als er von der "Mother of all snake oils" sprach. Er glaubte, einen Bluff aufgesessen zu sein und suchte hinter der Bühne den NLS-Computer, der aber rund 30 Meilen entfernt in Menlo Park stand und über selbst gebaute Modems mit den Workstations verbunden war. Modem wie Maus waren Erfindungen von Bill English, der als leitender Ingenieur des Forschungszentrums für den Ablauf der Schau in die Computerzukunft verantwortlich war.

(bme)