Adressen aus Pixeln

Milliarden Menschen haben keine Adresse. Forscher am MIT und Facebook wollen ihnen dazu verhelfen, indem sie per Maschinenlernen Ortsinformationen aus Satellitenbildern extrahieren.

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Adressen aus Pixeln

(Bild: MIT Media Lab)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Karen Hao

Mehrere Milliarden Menschen auf der Welt haben keine physische Adresse. Ohne diese verlieren sie allerdings den Zugang zu wichtigen Diensten wie medizinische Versorgung, Katastrophenhilfe, Wahlregistrierung, Führerschein oder Paketzustellung. „Wenn Sie sich in eine globalere Wirtschaft begeben und mehr Menschen bestellen und Waren aus der Ferne liefern lassen, benötigen Sie eine spezifischere Adresse als ‚das Haus mit der roten Tür gegenüber der Kathedrale‘, sagt Merry Law, Präsident von WorldVu. Das Unternehmen stellt internationale Adressierungsinformationen bereit.

Forscher des MIT Media Lab und Facebook schlagen nun einen neuen Weg vor, um die Adressenlosen zu erreichen. Das Team trainierte zunächst einen Deep-Learning-Algorithmus darauf, Straßenpixel aus Satellitenbildern zu extrahieren. Ein weiterer Algorithmus verband diese Pixel zu einem Straßennetz. Das System analysierte die Dichte und Form der Straßen, um das Netzwerk in verschiedene Gemeinden zu unterteilen, und definierte das dichteste Cluster als Stadtzentrum. Die Regionen um das Stadtzentrum herum wurden in nördliche, südliche, östliche und westliche Quadranten unterteilt und die Straßen entsprechend ihrer Ausrichtung und Entfernung vom Zentrum nummeriert und beschriftet.

Beim Vergleich der Ergebnisse mit einer Zufallsstichprobe von nicht zugeordneten Regionen, deren Straßen manuell beschriftet wurden, verortete der neue Ansatz mehr als 80 Prozent der besiedelten Gebiete erfolgreich und verbesserte die Abdeckung im Vergleich zu Google Maps und OpenStreetMaps.

Dies ist nicht die einzige Möglichkeit, um die Adressenerstellung zu automatisieren. Die Organisation „What3words“ generiert eine eindeutige Kombination aus drei Wörtern für jedes dreimal drei Meter große Quadrat in einem globalen Raster. Das Programm wurde bereits in den Regionen Südafrikas, der Türkei und der Mongolei von nationalen Paketzustelldiensten, lokalen Krankenhäusern und regionalen Sicherheitsteams eingesetzt.

Laut Ilke Demir, Forscherin bei Facebook und einer der Schöpfer des neuen Systems, liegt der Hauptvorteil darin, dass es der bestehenden Straßentopologie folgt und den Bewohnern hilft zu verstehen, in welchem Verhältnis zwei Adressen zueinander stehen. Bei „What3words“ ist das anders: „Wenn Sie die Adresse haben – sagen wir mal – „Parrot.failed.casino“ und jemand anderes die Adresse „tables.chairs.television“ hat, wissen Sie nicht, ob Sie Nachbarn dieser Person sind“, sagt Demir. „Das ist der springende Punkt. Wir wollen Adressen, die die Menschen intuitiv aufnehmen können.“

„Ich denke, es ist verdammt genial“, sagt Charles Prescott, ein internationaler Anwalt und Gründer der Non-Profit-Organisation „Global Address Data Association“ und ergänzt: „Wenn Sie das System so programmieren können, dass Adressen basierend auf lokalen Konventionen generiert werden, wäre dies unglaublich effizient und kostengünstig.“ Sowohl Law als auch Prescott stellen jedoch fest, dass das neue System Beschränkungen unterliegt. „Die Erzeugung der Adressen ist nicht das Hauptproblem, sondern die Leute dazu zu bringen, das System anzunehmen“, sagt Prescott.

Für die Akzeptanz eines Adressierungsschemas spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Zum einen muss das System im Einklang mit der Kultur eines Landes stehen, sagt Law, und sich nicht wie ein kolonial aufgezwungenes System anfühlen. Zum anderen scheint die Akzeptanz stark mit der Alphabetisierung zu korrelieren. In einigen Gemeinden misstrauen die Anwohner ihrer Regierung so stark, dass sie nicht einfach lokalisiert werden wollen.

Das Facebook-MIT-Team will als nächstes mit gemeinnützigen Partnern kooperieren, um das System in die Praxis umzusetzen. Prescott zeigte sich bereits ssehr kooperationsfreudig: „Ich würde das liebend gerne machen.“


(vsz)