Diesel-Skandal: Landgericht Stuttgart verurteilt Daimler zu Schadenersatz

Daimler soll in drei Fällen wegen der umstrittenen "Thermofenster" bei der Abgasreinigung zwischen 25.000 und 40.000 Euro zahlen. Eine Klagewelle könnte drohen.

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Diesel-Skandal: Landgericht Stuttgart verurteilt Daimler mehrfach zu Schadenersatz
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Neues Ungemach für Daimler in der Abgasaffäre. Das Landgericht Stuttgart hat den Autoproduzenten am Donnerstag in drei Fällen zum Zahlen von Schadenersatz zwischen 25.000 und 40.000 Euro verurteilt. Die Richter werteten dabei die von dem Konzern genutzten "Thermofenster", die die Abgasnachbereitung in bestimmten Temperaturbereichen herunterregeln, laut einem Bericht des Rechercheverbunds von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR als unzulässige Abschalteinrichtungen.

Die Urteile selbst sind noch nicht veröffentlicht. Ein Gerichtssprecher bestätigte den Sachverhalt aber gegenüber den Medienpartnern. Demzufolge sind Autokäufer bereits in vielen weiteren vergleichbaren Fällen gegen Daimler vorgegangen, in denen es aber noch keine Entscheidungen gebe. Darüber hinaus rechne er damit, "dass eine erhebliche weitere Zahl an Klagen eingehen wird".

Sogenannte Thermofenster nutzen auch andere Autohersteller bei Dieselmotoren. Die Methode drosselt die Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen, um schädliche Belagsbildung und Korrosion im Abgastrakt zu reduzieren. Der mit der Adblue-Technik zugefügte Harnstoff, der die Stickoxide verringern soll, kann erst ab 180 bis 200 Grad richtig dosiert werden. Daimler hält das Verfahren für legitim und notwendig, um Motorenschäden zu verhindern. Das Landgericht folgte dieser Einschätzung aber nicht.

Der Stuttgarter Konzern kann die Urteile "nicht nachvollziehen". Eine Sprecherin erklärte, dass man gegen diese und alle vergleichbaren Entscheidungen in die Berufung gehe. Der Münchner Rechtsanwalt Thorsten Krause, der an einem der drei Verfahren beteiligt ist (Az.: 23 O 180/18), spricht trotzdem von einem "absoluten Durchbruch" und sieht eine "ziemlich großen Klagewelle gegen Daimler" heranrollen, von der auch die Rechtsbeistände gut profitieren dürften. Viele Käufer von Dieselfahrzeugen von Mercedes-Benz hätten nur auf einen derartigen Richterspruch gewartet.

2018 hatten bereits die Landgerichte in Hanau und Karlsruhe den Autobauer in zwei anderen Fällen zu Schadenersatz-Zahlungen verurteilt. Die dortigen Richter hatten die Thermofenster-Methode aber noch nicht klar als unzulässige Abschalteinrichtung deklariert. Rechtskräftig sind auch diese Entscheidungen noch nicht.

Daimler Daimler begann im Herbst mit Software-Updates für rund 2,7 Millionen Mercedes-Fahrzeuge in Europa. Anfangs hatte der Konzern nur Nachbesserungen an etwa 300.000 Dieseln angekündigt, die Zahl aber später auf insgesamt etwa drei Millionen aufgestockt. Für rund 700.000 Problemfahrzeuge der Stuttgarter ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zudem wegen einer illegalen Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zudem wegen einer illegalen Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung einen Rückruf an. Daimler befolgt die Auflage, hat parallel aber Widerspruch gegen die Bescheide eingelegt, da auch hier am Vorwurf der Rechtswidrigkeit nichts dran sei.

Volkswagen hat als Auslöser des Dieselskandals den Betrug mit Abschalteinrichtungen dagegen offiziell zugegeben. Wegen der Manipulationen kündigte sich schon bald eine Klagewelle an. Ende 2018 hatten sich binnen eines Monats schon über 81.000 Autokäufer einer "Musterklage" gegen VW wegen Abgasbetrug angeschlossen. Das einschlägige Register im Rahmen des neuen Instruments war Ende November eröffnet worden. Um das Quorum für eine solche Verbraucherklage zu erfüllen, müssen sich mindestens 50 Betroffene innerhalb von zwei Monaten registrieren. Das Prozessrisiko trägt in dem Fall der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv).

Chronologie des Abgas-Skandals (78 Bilder)

Mitte September 2015:  Die US-Umweltschutzbehörde EPA beschuldigt den Volkswagen-Konzern, Diesel-PKWs der Baujahre 2009 bis 2015 mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Prüfungen auf US-amerikanische Umweltbestimmungen austrickst. Zu ähnlichen Untersuchungsergebnissen ist auch das California Air Resources Board (CARB) gekommen. Beide Behörden schicken Beschwerden an VW. (Im Bild: Zentrale der EPA in Washington D.C.)
(Bild: EPA
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(olb)