EU-Gremien einigen sich auf Biometrie-Superdatenbank

Das europäische Gesetzespaket, mit dem die großen EU-Informationssysteme zur inneren Sicherheit verknüpft und Biometriedaten abgeglichen werden sollen, steht.

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Europäische Kommission

(Bild: dpa, Roland Schlager/Archiv)

Lesezeit: 3 Min.

Die ständig wachsenden EU-Datenbanken in den Bereichen Sicherheit, Grenzmanagement und Migrationssteuerung sollen "intelligenter" gemacht und gezielt miteinander verzahnt werden. Auf diesen massiven Umbau der Sicherheitsarchitektur der Gemeinschaft, mit dem die biometrische Überwachung der Bevölkerung deutlich ausgebaut werden kann, haben sich Verhandlungsführer des EU-Parlaments, des Ministerrats und der Kommission am Dienstag verständigt.

Mit dem Vorhaben sollen unter anderem das Schengen-Informationssystem (SIS) mit rund 80 Millionen Einträgen, das Visa-Register (VIS) oder die Eurodac-Datei, in der vor allem Fingerabdrücke von Asylbewerbern gespeichert werden, über ein Suchportal verknüpft werden. Dazu kommen werden etwa auch das neue Ein- und Ausreisesystem zur biometrischen Grenzkontrolle (Smart Borders) sowie das Europäische Reisegenehmigungssystem (ETIAS).

Ermöglicht wird damit ein "Abgleich der vorhandenen Daten mit einem einzigen Klick", schreibt die EU-Kommission. Grenzschutz- und Polizeibeamten könnten damit künftig etwa Ausweise einfacher überprüfen, "indem sie alle EU-Informationssysteme auf einem einzigen Bildschirm gleichzeitig abfragen". Die aufwändigere Suche in einzelnen Datenbanken werde damit hinfällig.

Auch einen übergeordneten "Speicher für Identitätsdaten" haben die Gremien vereinbart, eingeschränkt zunächst auf Angehörige von Drittstaaten. Einfließen sollen Informationen wie Geburtsdatum, Passnummer, Fingerabdrücke oder digitale Gesichtsbilder. Dazu kommt ein "gemeinsamer Dienst" für den Abgleich biometrischer Daten, mit dem anhand von Fingerabdrücken und Gesichtsbildern alle bestehenden Informationssysteme abgefragt werden können. Darüber hinaus soll ein "Detektor für Mehrfachidentitäten" für eine "unverzügliche Kennzeichnung aller Personen" sorgen, "die mehrere oder falsche Identitäten verwenden".

Mithilfe eines zweistufigen Verfahrens werden Strafverfolgungsbeamte mit der Initiative nach Angaben der Kommission auch in der Lage sein, "EU-Datenbanken effizienter und sicherer abzufragen". Stimmen die von einem Beamten abgerufenen Daten mit in einem der Systeme erfassten Informationen überein, kann er bei einem solchen "Treffer" im Einklang mit den für das jeweilige System geltenden Vorschriften "einen gezielteren Zugang" beantragen.

Der für die Sicherheitsunion zuständige EU-Kommissar Julian King versicherte, es gehe nicht darum, "eine einzige riesige Datenbank zu schaffen" oder mehr Informationen zu erheben. Vielmehr sollten die vorhandenen Daten unter dem Stichwort "Interoperabilität" smarter und gezielter genutzt werden. Praktisch können mit der Initiative aber nun die umfangreichen Bestände der Informationssysteme indirekt zusammengeführt werden. Praktisch entsteht damit eine Biometrie-Superdatenbank.

Warnungen etwa des EU-Datenschutzbeauftragten Giovanni Buttarelli vor einem Punkt in der Sicherheitsarchitektur, "an dem es kein Zurück gibt", verhallten ungehört. Mit dem weiteren Zusammenwachsen der skizzierten Datenbanken würden bisherige rechtliche Prinzipien wie die Zweckbestimmung abgeschafft, hatte der Italiener moniert. Zudem erhöhe sich das Missbrauchsrisiko durch Hacker genauso wie durch rechtmäßige Nutzer. Der Gesetzgeber vermische zudem die Grenzen zwischen Migrationsmanagement und dem Kampf gegen schwere Verbrechen und Terrorismus. Die EU-Grundrechteagentur bemängelte zudem wiederholt die Datenqualität mancher Bestände.

Die beiden einschlägigen Verordnungen müssen vom Parlament im Plenum und vom Rat noch förmlich angenommen werden, was als sicher gilt. Danach soll die für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Sicherheitsbereich, EU-Lisa, die für das Vorhaben erforderlichen technischen Komponenten entwickeln und einführen. (olb)