USA: Kommission warnt vor einem EMP-Krieg

Aurora des EMP-Atomwaffentests Starfish Prime (1962). Bild: DoD

Russland, China, Iran und Nordkorea könnten einzeln oder auch zusammen einen EMP-"Blitzkrieg" gegen die USA und ihre Alliierten führen

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Vor 18 Jahren wurde in den USA eine vom Kongress beschlossene Kommission begründet, die sich mit dem finalen Cyberwar, einem Angriff mit einer elektromagnetischen Impulswaffe (EMP) beschäftigen soll, mit der große Teile des Landes ausgeschaltet werden können. Im Kalten Krieg hatten die USA wiederum wie beim ersten Einsatz von Atombomben in Hiroshima und Nagasaki vorpreschend getestet, welche Folgen eine hoch in der Atmosphäre gezündete Atombombe mit dem davon ausgehenden elektromagnetischen Impuls hat, der mit der elektrischen Infrastruktur auch alle ungesicherten elektronischen Systeme ausschaltet. Der Test zeigte die Verwundbarkeit über ein großes Gebiet.

Die Kommission machte in ihren Berichten immer wieder klar, dass die Gefahr groß ist und dass es nur mit exorbitanten Kosten möglich wäre, das Land vor einem solchen Angriff zu schützen. Im neuen Kalten Krieg, der vornehmlich gegen Russland, zunehmend auch gegen China durch nukleares Wettrüsten und Abwehrsysteme geführt wird, rückt nun offenbar China als Hauptbedrohung in den Vordergrund der amerikanischen Bedrohungsszenarien.

Zuvor war schon diskutiert worden, ob nicht Nordkorea mit seinen Atomwaffen die Möglichkeit erreicht haben könnte, mit einer von diesen einen realen Shutdown der USA zu realisieren. Zunehmend schiebt sich vor das Bild eines Atomkriegs mit massenhaften Toten und riesiger Zerstörung ein EMP-Angriff mit einer Atombombe. Das würde unmittelbar kein Menschenleben gefährden und keine Zerstörungen verursachen, weil die Bombe in einer Höhe von 60 oder 80 km gezündet werden kann. Aber die Folgen des elektromagnetischen Impulses könnten verheerend sein.

Vor kurzem wurden erst die letzten Berichte der Kommission veröffentlicht. "Nuclear EMP Attack Scenarios and Combined-Arms Cyber Warfare", "Political-Military Motives for Electromagnetic Pulse Attack" und "Foreign Views of Electromagnetic Pulse Attack" stammen zwar bereits aus dem Jahr 2017. Das Verteidigungsministerium hatte die Veröffentlichung eigentlich 2018 genehmigt, aber trotz der Bemühungen der Kommission, so heißt es auf deren Website, konnten die Berichte erst am 21. Januar 2019 veröffentlicht werden. Prominent wird eine dramatische Warnung des Vorsitzenden Peter Vincent Pry zitiert, der auch für die drei Berichte verantwortlich ist:

Die Militärdoktrin von Russland, China, Iran und Nordkorea betrachtet einen nuklearen EMP-Angriff als ultimative "Cyberwaffe", die auf dem Schlachtfeld oder gegen ganze Nationen oder Allianzen den entscheidenden Schlag versetzen kann. Beispielsweise kann ein EMP-Angriff auf die europäische Nato die elektronischen Systeme zerstören, die für Militäroperationen zentral sind, und Stromnetze sowie andere kritische Infrastrukturen (Kommunikation, Verkehr, Industrie und Herstellung, Wirtschaft und Finanzen, Lebensmittel und Wasser), die zentral sind für das nationale Überleben, ausschalten.

"Wie beim Krieg des antiken militaristischen Sparta gegen das demokratische Athen"

Pry, ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter, tätig in vielen Kommissionen und Autor von zahlreichen Büchern über militärische Themen, schreibt in "Foreign Views of Electromagnetic Pulse Attack", dass viele Staaten versuchen, Teile ihrer Infrastruktur gegen EMP-Angriffe zu härten, was zeige, dass die Gefahr international ernst genommen werde. Nach ihm würden zumindest die russische und die chinesische Militärdoktrin davon ausgehen, dass ein "information warfare" ein breites Spektrum von Computerviren bis zu einem nuklearen EMP-Angriff einschließe. Nordkorea, Iran und andere "Schurkenstaaten" würden sich in der Regel bei der Formulierung ihrer Doktrin diese übernehmen.

Einige Analysten im Ausland würden einen nuklearen EMP-Angriff nicht als Atomwaffenangriff bezeichnen, weil es keine oder nur wenige Opfer gäbe. Selbst in Japan und Deutschland würden manche EMP-Angriffe als "moralisch vertretbar" sehen - Pry verweist auf ein Telepolis-Gespräch. Der Stand des 2017 vorgelegten Papers scheint allerdings im Jahr 2002 zu enden.

Aktueller ist der Bericht "Nuclear EMP Attack Scenarios and Combined-Arms Cyber Warfare", auch wenn er die in früheren Berichten beschriebenen Szenarien wiederholt. Ein Krieg mit EMP-Waffen wird als "neuer Blitzkrieg" beschrieben. Ausgemalt wird u.a. ein EMP-Weltkrieg. Unterstellt wird, dass China, Russland, Iran und Nordkorea insgeheim Alliierte seien, die gleichzeitig die USA und Verbündete angreifen könnten. Das Weltbild ist simpel: "Wie beim Krieg des antiken militaristischen Sparta gegen das demokratische Athen, als sich Sparta gegen Athen mit allen anderen, von Tyrannen regierten Stadtstaaten verbündet hat, sind die Eliten von Moskau, Bejing, Pjöngjang und Teheran durch ihre Furcht vor der Freiheit und ihren Hass auf sie vereint."

Letztlich sei eine nukleare EMP-Bombe eine oder die Anti-Technikwaffe, weswegen hochtechnische Länder wie die USA besonders gefährdet seien: "EMP ist wesentlich eine Antitechnik-Waffe - und vielleicht die perfekte Wunderwaffe, um das Hightech-Militär der USA, d.h. die Grundlage für seine Behauptung, die einzige Supermacht zu sein, zu besiegen und zu demütigen."

China habe eine ganze Reihe von see- und landbasierten Raketen, die mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden können - und auch eine Super-EMP-Waffe: "Chinesische militärische Artikel und Militärübungen beschreiben einen EMP-Angriff auf Taiwan und US-Flugzeugträger. China hat oft Militärübungen durchgeführt, bei denen mit nuklearen Sprengköpfen ausstattbare Raketen in die Gewässer um Taiwan auf Flugbahnen abefeuert wurden, die mit einem EMP-Angriff konsistent wären. Chinesische und Open-Source-Quellen behaupten, dass Peking über Super-EMP-Waffen verfügt."

Geschätzte Auswirkung einer EMP-Bombe abhängig von der Höhe, auf der sie gezündet wird. Bild: GAO

Technik-Apokalypse: Nichts ginge mehr

Russland könnte nach den Ideen von Pry beispielsweise nach einem EMP-Angriff auf die Nato-Zentrale in Brüssel, wodurch es einen Blackout in großen Teilen Europas gebe, in die baltischen Länder und die Ukraine einmarschieren, um die früheren Staaten der Sowjetunion wieder zu vereinen. Gedroht würde mit weiteren EMP-Angriffen, woraufhin alle Nato-Mitglieder außer den USA kuschen. Die setzen ihre "nicht-nukleare Global-Strike-Kapazitäten" ein und bombardieren russische Stellungen mit Langstreckenraketen und Bombern, später auch wirtschaftliche Ziele, um Russland davon abzuhalten, ein "Großrussland" werden zu wollen.

Nur ist da der böse "russische Diktator Wladimir Putin, ein früherer KGB-Agent, ein nationaler Chauvinist, noch immer gedemütigt von der der Niederlage der Sowjetunion im Kalten Krieg, der es nicht ertragen kann, schon wieder gegen die USA zu verlieren." Schon 1999 hätten die Russen wegen der Bombardierung Serbiens einen EMP-Angriff angedroht. Den könnte dann Putin gegen die USA ausführen, die aber seien davor nicht ausreichend geschützt, auch die strategischen Streitkräfte seien nicht mehr so kriegsbereit wie im Kalten Krieg.

Al-Qaida oder der IS könnten beispielsweise mit einer Rakete, wie sie die Huthis im Jemen benutzen, etwa einer Scud, abgefeuert von einem Frachter auf dem Mittelmeer, einen EMP-Angriff auf Rom machen. Auch Teile Frankreichs und Deutschlands würden dadurch lahmgelegt. Oder Pakistan oder der Iran legt mit einem EMP-Angriff Israel lahm oder gibt eine Atomrakete der Hamas, um nämliches zu machen.

Man solle neben dem Iran und sogar al-Qaida bzw. den IS auch Nordkorea nicht unterschätzen, warnt Pry, allerdings vor dem Annäherungskurs von Donald Trump, weswegen man die Veröffentlichung vielleicht verzögert hat. Eine einzige Atombombe, die 400 km über den USA zur Explosion gebracht wird, würde das EMP-Feld bis auf einen Radius von 2200 km erweitern und so auch Teile Mexikos und Kanadas erreichen und die Stromnetze lahmlegen. Nichts ginge mehr, Feuer würden in Wäldern und Städten ausgelöst, ebenso Explosionen und Industrieunfälle, giftige Wolken verschmutzen die Luft, gefährliche Chemikalien breiten sich in Flüssen und Seen aus:

In sieben Tagen haben über 100 AKWs keine Notstromversorgung mehr und gehen Fukushima, verbreiten radioaktiven Staub über die am dichtesten besiedelte Hälfte der USA. Es gibt kein Trinkwasser mehr, die nationalen Lebensmittelvorräte in den regionalen Lagerhallen beginnen in drei Tagen zu verderben. Es gibt sowieso nur genug Lebensmittel, um 320 Millionen 30 Tage lang zu versorgen. In einem Jahr würden, wie einige EMP-Experten seit über einem Jahrzehnt warnen, 90 Prozent der Amerikaner an Hunger, Krankheiten und dem Zusammenbruch der Gesellschaft sterben. Die USA hören auf zu existieren.

Schon seit Bestehen malen die Berichte der EMP-Kommission die möglichen EMP-Apokalypsen aus. Sie klingen so übertrieben, während man gleichzeitig praktisch hilflos ist, dass auf die Bedrohungsszenarien kaum reagiert wird. Das US-Heimatschutzministerium hat allerdings das Thema in dem Bericht "Protecting and Preparing the Homeland Against Threats of Electromagnetic Pulse and Geomagnetic Disturbances" (2018) aufgegriffen. Auch das Pentagon legte letzten Jahr den Bericht der "Electromagentic Defense Task Force vor, wo u.a. die Gefahr durch nicht mehr kühlbare Reaktoren und den Folgen der Kernschmelze hervorgehoben wird (EMP-Angriff: "Eine Bedrohung für die USA, die Demokratie und die Weltordnung"). Die Militärs vor allem versuchen, wichtige Einrichtung vor einem EMP-Angriff zu härten oder Kommandozentralen weit in einen Berg hinein zu verlegen.

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