Hungerstreik gegen Öcalans Haftbedingungen in kritischer Phase

Gefängnis auf Imrali, Abdullah Öcalan. Bild: VOA (2014) / gemeinfrei

Berlin unterstützt Kritik an der Isolationshaft der PKK-Führungsfigur, will aber nicht weiter gehen. Kommentar

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Schon vor einem Monat stellte der Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke, Michel Brandt, eine mündliche Anfrage zur Haltung der Bundesregierung bezüglich der Isolationshaft der kurdischen Symbolfigur Abdullah Öcalan. Hintergrund der Anfrage war der weltweite Protest gegen dessen Haftbedingungen und die damit verbundenen Hungerstreiks in der Türkei und in Europa.

In der Türkei trat die HDP-Abgeordnete Leyla Güven am 7. November 2018 in den Hungerstreik. Ihr Gesundheitszustand ist nun, nach über 100 Tagen, sehr kritisch. Ein ARD-Team konnte die Abgeordnete und ihre Tochter besuchen. Die Tochter berichtete, dass ihre Mutter zum Äußersten entschlossen sei.

In der Türkei haben sich in den Haftanstalten mittlerweile über 300 Gefangene dem Hungerstreik angeschlossen. In Straßburg befinden sich 14 kurdische Aktivistinnen und Aktivisten seit 62 Tagen im Hungerstreik, darunter auch der Vorsitzende des Kurdischen Nationalkongresses in Europa, Yüksel Koc, auf den der türkische Geheimdienst MIT einen Mordanschlag geplant haben soll.

Die Haltung der Bundesregierung

In der Antwort auf die mündliche Anfrage begrüßte die Bundesregierung die "klare Kritik des Antifolterkomitees des Europarats (CPT) an der Abschottung der auf Imrali Inhaftierten und die Aufrufe, Besuche von Verwandten und des Rechtsbeistands zu ermöglichen und Beschränkungen des Umgangs der Häftlinge untereinander abzubauen".

Es stehe ebenso fest, dass "die Türkei als Mitglied des Europarats zur Einhaltung der Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention auch in Bezug auf Inhaftierte verpflichtet ist", erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Namen der Bundesregierung, von daher unterstütze die Bundesregierung die Forderung des Anti-Folterkomitees.

Seit dieser klaren Antwort ist ein Monat vergangen, allerdings passierte von Seiten der Bundesregierung nichts. Inzwischen hat die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut erneut im Bundestag nachgefragt. Sie wollte wissen, ob die Bundesregierung über den Gesundheitszustand der Hungerstreikenden in der Türkei und Europa Kenntnisse hat und ob sie sich dessen bewusst ist, dass es auch in Deutschland zu Demonstrationen, Kundgebungen und sonstigen Aktionen kommen kann, falls Hungerstreikende ums Leben kommen.

Mit jedem Tag, den der Hungerstreik andauert, wird dies wahrscheinlicher. Es wäre höchste Zeit für die Bundesregierung, ihre gewöhnlich guten diplomatischen Beziehungen hier einzusetzen. Wenn man Frieden in der Türkei und auch in den Nachbarländern will, geht das nicht ohne die Wiederaufnahme der von Erdogan 2015 einseitig abgebrochenen Friedensgespräche, in denen Öcalan aus dem Gefängnis heraus eine bedeutende Rolle spielte.

Der Krieg gegen die Kurden ist nicht zu gewinnen

Am 15. Februar 1999 wurde Abdullah Öcalan, der Vorsitzende der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), festgenommen. Seither kamen die kurdischen Gebiete in der Türkei nicht zur Ruhe. Heute, 20 Jahre später, sieht die Situation für die kurdische Bevölkerung nicht besser aus als damals. In der Türkei wurden in den letzten 2 Jahren ganze Städte dem Erdboden gleich gemacht und die kurdische Bevölkerung vertrieben.

Kurdische Politiker sind mittlerweile wegen angeblicher Terrorismusunterstützung größtenteils im Gefängnis. Die kurdische Landbevölkerung in der Türkei wird von Zwangsverwaltern und Dorfschützern terrorisiert. Die kurdische Autonomieregion im Irak hängt wirtschaftlich am Tropf der Türkei. Die syrischen Kurden sind von einem Einmarsch der türkischen Armee einerseits und des syrischen Regimes andererseits bedroht.

Auch in Deutschland werden politisch aktive Kurden - wohl um Erdogan bei Laune zu halten - zunehmend kriminalisiert. Aber alle Instrumente des Terrors, der Unterdrückung und Assimilierung scheinen den Widerstand großer Teile der kurdischen Bevölkerung nicht brechen zu können. Im Gegenteil: Je mehr Terror gegen sie ausgeübt wird, desto mehr Sympathien gewinnen sie - nicht nur - in der türkischen und kurdischen Bevölkerung - sondern auch bei denen, die der PKK und Öcalan kritisch gegenüberstehen.

Schon in den 1990er Jahren versuchte die türkische Regierung, damals unter Präsident Süleyman Demirel, die PKK und die mit ihr sympathisierende kurdische Bevölkerung zu zerschlagen. Freilich hegten nicht alle Kurden Sympathien für die kurdische Arbeiterpartei - der ideologische Riss ging durch fast alle Familien, der Assimilierungsdruck war enorm hoch. Schon 1998 drohte die türkische Regierung Syrien mit Krieg, weil sie seit 1980 Öcalan Exil gewährte.

Die Türkei schickte Panzer an die syrische Grenze, US-Kriegsschiffe hielten sich im Mittelmeer auf. Die damals eng mit der Türkei verbundene israelische Regierung unterstützte die Drohgebärden. Der syrische Präsident Hafis Al-Assad forderte dann Öcalan aufgrund des Drucks nach 19 Jahren auf, Syrien zu verlassen. 1998 unterzeichneten die Türkei und Syrien das sogenannte Adana-Abkommen, mit dem sich Syrien verpflichtete, der PKK keinen Unterschlupf mehr zu gewähren.

Unterdessen versuchte Öcalan vergeblich in Griechenland, Italien und Holland Asyl zu bekommen. Am 15. Februar 1999 wurde er schließlich in Kenia mit Hilfe verschiedener Geheimdienste verhaftet. Der damalige Präsident Ecevit verkündete am 16. Februar 1999 mit zitternder Stimme: "Seit heute Morgen um drei Uhr befindet sich der Chef der separatistischen Terrororganisation PKK, Abdullah Öcalan, in der Türkei. Der Staat hat Wort gehalten und ihn zur Strecke gebracht. Abdullah Öcalan wird sich nun vor der türkischen Justiz verantworten müssen. Und jeder muss jetzt einsehen, dass der separatistische Terror in der Türkei keine Chance hat."

Wie wir heute wissen, irrte er sich gewaltig, genauso wie schon Demirel 15 Jahre zuvor.