Quo vadis, Afghanistan?

Screenshot, Taliban-Propaganda; Zabihullah, Twitter

Die Taliban sind eine politische Realität in Afghanistan. Interview mit Nazar Mohammad Motmaeen

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Vor kurzem führten die Amerikaner Friedensgespräche mit den Taliban in Katar, die am 25. Februar fortgesetzt werden sollen. Nach den Gesprächen in Doha (Das neue Great Game um Afghanistan und die Taliban) fand eine weitere Friedenskonferenz in Moskau statt. Viele Afghanen nahmen teil, darunter etwa Ex-Präsident Hamid Karzai sowie einige bekannte Warlords. Auch Nazar Mohammad Motmaeen, ein politischer Analyst aus Kabul und ehemaliger Offizieller der Taliban-Regierung, war dabei. Telepolis sprach mit ihm.

Guten Tag, Herr Nazar Mohammad Motmaeen, was waren Ihre Beobachtungen bei den Gesprächen in Moskau?

Nazar Mohammad Motmaeen: Die Bürger Afghanistans haben von den Taliban mehrmals direkte Gespräche gefordert. Immer wieder wurde ein innerafghanischer Dialog gefordert. Aus diesem Grund wurde seitens der Taliban beschlossen, nach den letzten, sechstägigen Gesprächen in Doha gemeinsam mit anderen Afghanen zusammenzusitzen, um miteinander zu sprechen und einen Meinungsaustausch zu fördern. Auch im Kontext der Gespräche zwischen den Amerikanern und den Taliban hieß es immer wieder, dass ein innerafghanischer Dialog stattfinden müsse.

Nun saß die Kabuler Regierung von Präsident Ashraf Ghani allerdings nicht am Tisch. Mit ihr will anscheinend niemand sprechen, weder in Katar noch in Russland. Wie soll es denn zu einem anständigen Frieden kommen, wenn praktisch ein wichtiger Teil der Gegenseite fehlt?

Nazar Mohammad Motmaeen: Die Hoffnung besteht weiterhin, dass die Kabuler Regierung an der nächsten Gesprächsrunde in Katar teilnimmt. In Moskau waren Vertreter des Hohen Friedensrates präsent. Außerdem war Qutbuddin Hilal, ein Berater Ghanis, hier. Ich denke allerdings, dass eine Teilnahme der Regierung an derartigen Gesprächen äußerst wichtig ist.

Kabul darf sich nicht dagegen wehren. Außerdem muss die Regierung eingestehen, dass es einen Unterschied zwischen den Taliban und anderen militanten Gruppierungen in Afghanistan gibt. Die Hoffnung ist groß, dass diese Einsicht bald kommt.

Viele Teilnehmer der Moskauer Konferenz hatten in der Vergangenheit kaum Interesse an derartigen Gesprächen. Als das Taliban-Büro in Katar 2013 seine Pforten öffnete, wehrte sich der damalige Präsident Karzai gegen Gespräche. Er reagierte also praktisch so, wie Ghani es heute tut. Hinzu kommt, dass viele Teilnehmer berühmt-berüchtige Warlords sind, die eher für Blutvergießen und nicht für Frieden bekannt sind. Wie ist das zu beurteilen?

Nazar Mohammad Motmaeen: Meiner Meinung nach haben diese Personen erheblich ihre Meinung zum Geschehen geändert. Karzai und Warlords wie Atta Mohammad Noor oder Ismael Khan - zwei bekannte Anti-Taliban-Figuren - sind zum Schluss gekommen, dass eine Fortführung des Krieges keine Lösung darstellt. Sie haben eingesehen, dass die Taliban eine politische Realität darstellen, die man nicht einfach auslöschen kann. Aus diesem Grund will man nun ernsthaft ein erneutes Bürgerkriegsszenario nach dem Abzug der internationalen Truppen verhindern, indem man miteinander sitzt und über Frieden spricht.

Geht es hier nicht auch um den persönlichen Vorteil und um Macht und Einfluss? Viele Männer, die sich in Moskau versammelt haben, wurden auch von Ghani entmachtet. Stichwort Interimsregierung.

Nazar Mohammad Motmaeen: Ich denke nicht, dass Karzai abermals im Präsidentenpalast sitzen will. Ähnlich verhält es sich auch mit den anderen Männern. Sie bemühen sich ernsthaft um eine positive Veränderung Afghanistans.

Im Kontext der Gespräche hört und sieht man fast nur Männer. Nur zwei Frauen nahmen an der Konferenz in Moskau teil und sprachen dort über ihre Ansichten. Spielen Frauen, die die Hälfte Afghanistans darstellen, hier überhaupt eine Rolle?

Nazar Mohammad Motmaeen: Eine Teilnehmerin war die Parlamentsabgeordnete Fawzia Koofi. Sie machte ihre Ansichten sehr klar deutlich und stoß dabei auch auf reges Interesse seitens der Taliban. Diese haben ihren Aussagen zufolge keine Probleme mit den Rechten von Frauen, solange diese "islamisch vereinbar" seien.

Die persönliche Freiheit der Frau sowie das Ausüben von Berufen stellt für sie kein Problem dar. Was allerdings nicht ihrem Weltbild entspricht und wogegen sie sich auch vehement wehren, ist ein Bild von Frauenrechten, wie es im Westen verbreitet wird.

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