EU-Urheberrechtsreform: CDU/CSU-Digitalexperte verreißt Kompromiss zu Artikel 11 und Artikel 13

Der digitalpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tankred Schipanski, hat kein gutes Haar an der Übereinkunft der EU-Gremien zur Copyright-Novelle gelassen.

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Urheberrechtsreform: CDU/CSU-Digitalexperte verreißt EU-Kompromiss
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Der CDU-Bundestagsabgeordnete Tankred Schipanski, der in der Urheberrechtsdebatte lange Zeit nicht als Revoluzzer aufgefallen ist, hat den vorige Woche auf EU-Ebene ausgehandelten Kompromiss zur Copyright-Reform scharf kritisiert. Die Einigung sei "aus netzpolitischer Sicht sehr unbefriedigend", konstatierte der Volksvertreter am Dienstag bei einem Parteiencheck für die Europa-Wahlen, zu dem der eco-Verband der Internetwirtschaft geladen hatte. Das Motto müsse daher jetzt lauten: "Lieber keine als eine schlechte Richtlinie."

Vor allem die vorgesehene Haftung für Online-Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten "erschließt sich mir nicht", begründete Schipanski, der seit April digitalpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion ist, seine Haltung. Die Betreiber, die sich allenfalls einer "Beihilfehandlung" schuldig machten, würden damit "zum Täter stigmatisiert".

Auf der eco-Veranstaltung diskutierten Tankred Schipanski, Nadja Hirsch, Saskia Esken und Anna Christmann (v. l. n. r.).

(Bild: Stefan Krempl)

Die Digitalpolitiker der Konservativen seien zudem mit den drohenden Upload-Filtern "unglücklich" und auch von anderen Punkten des Entwurfs "nicht begeistert", gab der Rechtswissenschaftler zu Protokoll. So hätte das deutsche Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet erst einmal evaluiert gehört, bevor es nun "verfrüht" in der ganzen EU Einzug halten solle.

Netzpolitiker von CDU und CSU hatten sich bereits mehrfach gegen die europäischen Pläne ausgesprochen, obwohl der Berichterstatter des EU-Parlaments für das Dossier, Axel Voss, Christdemokrat ist und Positionen der Rechteinhaber vertritt. Aber auch in andern Teilen der Fraktion gärt es und liegen die Nerven blank: Der niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) erinnerte jüngst auf Twitter daran, dass sich die große Koalition in ihrem Vertrag gegen Upload-Filter ausgesprochen hat. Für ihn habe die Meinungsfreiheit Vorrang. Es sei nicht zu spät, die Reform "in dieser Form zu stoppen".

Voss reagierte gereizt auf die Stellungnahme: "Schön, dass Sie Eigentumsrechte in den Dreck treten", versuchte er den Parteikollegen zurechtzuweisen. "Das wird unsere Kreativen freuen ... zumal wir gar keine Filter im Text haben!! Bitte mal sich vorher kundig machen!"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte gerade die vereinbarte Novelle. Das Internet dürfe "kein Raum sein, in dem geistiges Eigentum überhaupt nicht mehr geschützt wird". Die SPD-Netzpolitikerin Saskia Esken warf der Regierungschefin beim eco deswegen vor, die federführende Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) im Ministerrat in Brüssel "in die Schieflage" zu bringen, was "ziemlich unbefriedigend" sei.

Regierungsvertreter der Mitgliedsstaaten wollten sich im Lauf des Mittwochs erneut mit dem Richtlinienentwurf befassen. Eigentlich gilt die Zustimmung des Rates als Formsache. Angesichts der zunehmenden Proteste dürfte es den EU-Ländern aber schwieriger fallen, den ausgehandelten Kompromiss einfach durchzuwinken. Der europäische SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken twitterte am Dienstagabend, dass Barley Merkel & Co. gerade davon zu überzeugen suche, das Gesetz ohne den auf Upload-Filter abstellenden Artikel 13 auf den Weg zu bringen.

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Die bisherige Einigung "bringt gar nichts", monierte auch die EU-Abgeordnete Nadja Hirsch bei der Parteienrunde. Vor allem Startups hätten damit weiterhin das Problem, eine Filterinfrastruktur aufzubauen. "Wir schaden mal wieder massiv dem Standort Europa bei der Digitalisierung", beklagt die FDP-Politikerin. Dabei hätten die Rechteinhaber über die Blockchain konsequent mit wasserfesten Lizenzen versorgt werden können.

Die grüne Expertin für Technologiepolitik im Bundestag, Anna Christmann, würde "generelle Lizenzvereinbarungen" gegenüber Filtern bevorzugen. Letztere blockierten "viel mehr, als eigentlich gewünscht". Die vereinbarte Ausnahmeklausel für kleine junge Unternehmen bringe zudem nicht viel, da diese "auch mit drei Jahren nicht gleich in der Größenordnung von YouTube" agierten, trotzdem dann aber wie die Google-Tochter von Nutzern hochgeladene Inhalte lizenzieren müssten oder dafür hafteten. Nach dem Rat muss auch das EU-Parlament im Plenum die Reform noch bestätigen. (olb)