Vierbeinige Mikroroboter krabbeln durch den Körper

70 Mikrometer kleine Roboter könnten im menschlichen Blutkreis zu geschädigten Zellen wandern und "Reparaturen" ausführen. Laufen können sie bereits.

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Vierbeinige Mikroroboter krabbeln durch den Körper

(Bild: Marc Miskin (Screenshot))

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Winzige Roboter, die im menschlichen Körper gezielt einzelne Zellen behandeln, sind eine faszinierende Vision, die viele Forscher beflügelt. Ein großes Problem ist dabei jedoch die Fortbewegung: Wie gelangen die kleinen Pflegekräfte zu genau der Zelle, um die es geht? Einfach ein U-Boot zu verkleinern, wie in Richard Fleischers berühmten Science-Fiction-Film "Die phantastische Reise", würde in der Realität nicht funktionieren, weil in diesen Größenordnungen andere Kräfte dominieren als in der Makrowelt.

Ein verbreiteter Ansatz ist die Steuerung der Winzlinge mithilfe externer Magnetfelder, traditionelle Fortbewegungsarten gelten dagegen als kaum anwendbar. Da ist es umso überraschender, dass US-Forscher jetzt Mikroroboter vorgestellt haben, die auf vier Beinen laufen.

Ein Größenvergleich: Links der Mikroroboter, rechts eine Amöbe.

(Bild: Marc Miskin (Screenshot))

Lediglich 70 Mikrometer messen die Winzlinge, die Marc Miskin mit seinem Forschungsteam an der Cornell University in Ithaca, New York, entwickelt und jetzt bei der März-Konferenz der American Physical Society vorgestellt hat. Das entspricht ungefähr der Dicke eines menschlichen Haares. Den Kern des Roboterkörpers bildet ein mit einer dünnen Siliziumschicht überzogenes rechteckiges Stück Glas, in das die elektronischen Steuerelemente eingeätzt sind. Außerdem verfügt jeder Roboter über zwei oder vier winzige Solarzellen.

Die vier Beine bestehen jeweils aus zwei Schichten aus Platin und Titan, jedes Bein ist nur 100 Atome dick. Diese Beine seien "super-stark", sagt Miskin: "Jeder Roboter trägt einen Körper, der 1000 Mal so dick und 8000 Mal so schwer ist wie jedes Bein." In Bewegung setzen sich die Roboter, wenn sie mit einem Laser bestrahlt werden. Durch die entstehende Spannung dehnt sich das Platin im Bein, das Titan dagegen bleibt steif, sodass sich das Bein insgesamt leicht krümmt. Auf der Website von Marc Miskin unter "Projects > Nanorobots" zeigen Videos, wie sich der Mikroroboter fortbewegt.

Eine Besonderheit der Mikroroboter ist ihre Produktionsweise: Anders als die Roboter der Makrowelt werden sie nicht einzeln zusammengefügt, sondern in einem mehrstufigen Verfahren im Laufe weniger Wochen millionenfach aus einem vier Zoll großen Silizium-Wafer gefertigt. "Wir verwenden Techniken aus der Halbleiterindustrie, um kleine Roboter herzustellen", so Miskin.

Dass das Verfahren funktioniert, sahen die Forscher erstmals kurz vor Weihnachten 2017, als sie die ersten Zuckungen der Roboterbeine beobachten konnten. Bis zum Einsatz im menschlichen Körper müssen aber noch weitere Probleme gelöst werden. So würde die Energieversorgung durch Laser nur in den oberen Hautschichten funktionieren. Miskin und sein Team denken daher über Ultraschall oder Magnetfelder als alternative Energiequellen nach. Außerdem sollen die Roboter mit Sensoren, Uhren und komplexerer Elektronik ausgestattet werden.

Worüber sie bereits verfügen, ist die nötige Robustheit, um die heftigen Turbulenzen im menschlichen Blutkreislauf zu überstehen. "Wir haben festgestellt, dass sie die Injektion mit einer Spritze überleben. Sie sind danach weiterhin intakt und funktionieren", sagt Miskin. "Das ist ganz schön cool." (olb)