"Atlantisch bleiben, europäischer werden"

Gastkommentar zum heute verabschiedeten deutsch-französischen Parlamentsabkommen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Heute hat der Deutsche Bundestag das deutsch-französische Parlamentsabkommen mit großer Mehrheit verabschiedet. Im Antrag dazu waren sich Union, SPD, FDP und Grüne einig, das Abkommen selbst mit einem Bekenntnis zu Aufrüstung und engerer militärischer Kooperation zu versehen. "Atlantisch bleiben, europäischer werden", so die glühende Konfession zur aktuellen Politik der NATO und einer militarisierten EU der vier Fraktionen. Was, so könnte man Kritikern entgegenhalten, spricht denn wirklich gegen ein neues parlamentarisches Gremium? Was könnte man denn gegen eine verstärkte deutsch-französische Kooperation einwenden?

Mit dem Parlamentsabkommen soll ein Gremium geschaffen werden, dessen Aufgabe die "begleitende Umsetzung" (Niels Schmidt, SPD) des Aachener Vertrags ist. Der Schwerpunkt des Aachener Vertrags jedoch besteht in einer engeren militärischen Kooperation und insbesondere dem Voranbringen gemeinsamer Rüstungsprojekte. So soll eine Versammlung geschaffen werden, die über die Umsetzung des Abkommens "wacht", aber per Abkommen über keinerlei demokratische Kontrollrechte verfügen soll. Diese Versammlung soll lediglich über die Umsetzung gemeinsamer Rüstungsprojekte und die Aufrüstungsbestrebungen innerhalb von NATO und EU wachen. Mit dieser Selbstbeschneidung würdigt sich das neue Gremium zum Begleitservice einer immer stärker auf Aufrüstung und Rüstungsexporte ausgerichteten Politik herab.

Es war Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst, die auf den Mehrwert des deutsch-französischen Vertrags von Aachen für die Rüstungsindustrie hinwies. Die beförderte Rüstungskooperation mit Frankreich soll dazu genutzt werden, um die ohnehin schon laxen deutschen Rüstungsexportrichtlinien zu schleifen und künftig einen Lieferstopp wie gegenwärtig gegenüber Saudi-Arabien, unmöglich machen. Dazu wurde dem Aachener Vertrag ein geheimer Annex zugefügt, der nicht einmal dem Deutschen Bundestag vorgelegt wurde.

Mit der parlamentarischen Verpflichtung zur Umsetzung der Militarisierungsbestimmungen des Aachener Vertrags wird auch das Friedensgebot des Grundgesetzes unterlaufen. Vor dem Hintergrund der deutschen Verantwortung für zwei Weltkriege hatten dessen Mütter und Väter grundgesetzliche Haltelinien gegen Kriegsvorbereitungen und schrankenlose Waffenexporte erlassen. Diese Haltelinien drohen mit dem Aachener Vertrag und einer parlamentarischen Versammlung, die lediglich über seine Umsetzung wachen soll, abgewickelt zu werden.

Die Lehre aus zwei verlorenen Weltkriegen kann nicht sein, deutsch-französische Flugzeugträger zur globalen Machtprojektion bauen zu wollen, gemeinsam Kriegswaffen in alle Welt zu liefern oder Deutschland an der Seite Frankreichs zur stärksten Militärmacht auf dem Kontinent noch vor Russland hochrüsten zu wollen. Statt einer deutsch-französischen Förderung der Profite der Rüstungskonzerne braucht es eine Aktivierung des Friedensgebots des Grundgesetzes: Schluss mit der Hochrüstung, die nur der Kriegsvorbereitung dient! Schluss mit den mörderischen Exporten von Kriegswaffen!

Sevim Dagdelen ist stellvertretende Vorsitzende und abrüstungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag.