Bundeswehr in Afghanistan ohne Abzugsplan

Afghanischer Soldat bei einer Schießübung mit einer noch aus der Sowjetunion stammenden 2A18-Haubitze. Bild: Resolute Support

Bundestag bestätigt mit den Stimmen der Regierungskoalition unveränderte Teilnahme an Resolute Support, obwohl Donald Trump die Hälfte der US-Truppen abziehen will

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US-Präsident Trump hat einen Truppenabzug nicht nur aus Syrien, sondern auch aus Afghanistan angekündigt. Was wirklich geschehen wird, ist, wie so oft, unsicher, weil im Weißen Haus Chaos herrscht. Donald Trump ist offenbar wieder einmal vorgeprescht, ohne sich mit dem Pentagon und seinen Sicherheitsberatern abzustimmen. Die Rede war von einer Halbierung der US-Truppen just in der Zeit, in der die Taliban ihre Macht ausbauen.

Der Abzug der Truppen ist die wohl wichtigste Bedingung der Taliban für Friedensgespräche, die seit geraumer Zeit stattfinden, aber er hat nichts damit zu tun, dass der Nato-Einsatz erfolgreich gewesen wäre (Taliban: Angriff vor den Friedensverhandlungen). Kämen die Taliban aber wieder als politische Kraft an die Macht, so würden zwar nicht unbedingt die Verhältnisse vor 2001 wiederhergestellt werden, die Frage wäre aber doch, was die 18-jährige Nato-Intervention bewirkt hat, die Hunderte von Milliarden US-Dollar und Zehntausende von Menschenleben gekostet hat.

Der US-Verhandler Zalmay Khalilzad hat kürzlich mit den Taliban verhandelt, die Ankündigung, Truppen abzuziehen, dürfte auch ein Ergebnis dieser Verhandlungen sein. Das Problem ist, dass zwischen der amtierenden, von den USA gestützten afghanischen Regierung und den Taliban noch keine Gespräche stattfinden. Würden die Nato-Truppen abziehen, würde vermutlich die afghanische Regierung ebenso wegbrechen wie die afghanischen Sicherheitskräfte.

Die Taliban fordern einen völlig Abzug der ausländischen Truppen, vor allem von den amerikanischen, in kurzer Zeit. Das Pentagon will zur Stützung der afghanischen Regierung den Abzug langsam gestalten und kleinere Truppen auch für längere Zeit oder dauerhaft in Afghanistan stationieren, man will den Fuß und damit den Einfluss in der schwierigen Region behalten.

Gestern hat eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten der Union und der SPD mit vielen FDP-Abgeordneten und einigen Grünen die Teilnahme der Bundeswehr an der Mission Resolute Support in Afghanistan unverändert trotz der unsicheren amerikanischen Position und der zu erwartenden Entwicklung bis Ende März 2020 im Land bestätigt. 1300 Bundeswehrsoldaten können eingesetzt werden, bewilligt wurden auch die Kosten von 360 Millionen Euro. AfD und Linke haben die Fortsetzung der Mission geschlossen abgelehnt.

Ein FDP-Antrag, für das Mandat auch einen Abzugsplan und eine Überprüfung vorzusehen, wurde abgelehnt, die Grünen haben sich hier enthalten. Die hatten ebenfalls einen Antrag auf Evaluierung gestellt, der sonst von niemanden unterstützt wurde. Ein Antrag der Linken nach Abzug der deutschen Truppen wurde gleichfalls abgelehnt. Ein Abzug, so die Argumentation, würde eine politische Lösung befördern, der Bundeswehreinsatz im Rahmen von Resolute Support habe den Terrorismus nicht beendet und die Lage nicht stabilisiert. Inhaltlich nicht weit entfernt war der Antrag der AfD, der aber neben dem Abzug der Truppen auch den der Hilfsorganisationen vorsah und eine Friedensmission der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) unter dem Mandat der UNO sowie eine Unterstützung der Gespräche mit den Taliban vorschlug.

Das Abstimmungsverhalten zeigt, dass die Regierungskoalition weiterhin weitgehend geschlossen ist, während die Opposition sich auch in Sachfragen nicht einigen kann, obgleich ein gemeinsamer Standpunkt über die Parteigrenzen hinweg durchaus möglich erscheinen würde. Dies auch deswegen, weil die Regierungsposition hartnäckig nur längst vergangene Beschlüsse weiterführt und Änderungen der Lage nicht berücksichtigen will: "Deutschland steht zu der Verantwortung, die es für die Menschen in Afghanistan übernommen hat, zu seinen Zusagen gegenüber internationalen Partnern und zur Solidarität unter NATO-Verbündeten."

Man will ein stabiles Land, das aber in den 18 Jahren ebenso wenig entstanden ist wie eine stabile Regierung, die aber auf militärische Unterstützung vom Ausland angewiesen ist. Auch zur Begründung des Mandats wird auf "Verhandlungen mit den Taliban ohne Vorbedingungen und über sämtliche Streitfragen, einschließlich der künftigen Verfassung und internationalen Truppenpräsenz", hingewiesen. Das alleine ist eigentlich schon eine Bankrotterklärung, denn die Einbeziehung der Taliban in den "Friedens- und Versöhnungsprozess" zeigt, dass die militärische Mission der Nato nicht erfolgreich war. Einen solchen Friedens- und Versöhnungsprozess hätte man vor 18 Jahren auch schon haben und damit den Afghanen viel Leid ersparen können.

Es ist doch völlig fahrlässig, wenn die Bundesregierung trotz der Abzugsankündigung von Donald Trump dem Bundestag ein unverändertes Mandat vorlegt, statt sich auf einen geregelten und verantwortungsvollen Abzug vorzubereiten. Die Verteidigungsministerin hat schließlich selbst eingeräumt, dass bei einem Rückzug der USA auch der Einsatz der Bundeswehr enden müsse. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren viel zu wenig Einsatz für diplomatische Lösungen gezeigt und die Lage in Afghanistan immer wieder schöngeredet. So wie die Bundesregierung über Jahre zu militärischen Eskalationsstrategie der USA geschwiegen hat, schweigt sie jetzt zu den verheerenden Plänen der Trump-Administration für die Verhandlungen mit den Taliban.

Agnieszka Brugger, Politische Koordinatorin für Internationale Politik und Menschenrechte Bündnis90/Die Grünen