"Voss muss weg" – Mehr als 10.000 demonstrieren in Köln

In Köln hatten die Straßendemos gegen die EU-Urheberrechtsreform ihren Ausgang genommen – jetzt setzten die Gegner von Artikel 13 nochmal ein Zeichen.

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"Voss muss weg" – Mehr als 10.000 demonstrieren in Köln

(Bild: heise online/ Torsten Kleinz)

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  • Torsten Kleinz
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Mit mehr Teilnehmern als erwartet haben die Gegner der umstrittenen Urheberrechtsreform in Köln demonstriert. Deutlich mehr als 10.000 vorwiegend jüngere Teilnehmer zogen durch die Stadt, um vor der Abstimmung in der kommenden Woche ein Zeichen zu setzen und die Abgeordneten des EU-Parlaments zu einer Entscheidung gegen die vorgeschlagene Reform zu bringen.

Dennis Deutschkämer, stellvertretender Vorsitzender der Piratenpartei, warf den Befürwortern der Reform technische und gesetzgeberische Inkompetenz vor: "Sie haben ein Gesetz auf den Weg gebracht, dass vorne und hinten nicht fachlich ausgearbeitet worden ist."

Die Urheberrechtsreform sei allerdings kein Einzelfall, da Gesetzgeber immer wieder versuchten in den Lebensraum Internet einzugreifen ohne die Folgen zu berücksichtigen. Er appellierte an die Demonstranten die Protestbewegung nicht nach der Abstimmung im Europaparlament wieder zerfallen zu lassen. "Wir müssen etwas verändern für unsere Zukunft – denn die anderen werden es nicht tun", erklärte Deutschkämer.

Die SPD-Politikerin Lisa Steinmann versicherte den Demonstranten, dass die Abgeordneten ihrer Partei in Nordrhein-Westfalen in der kommenden Woche im Europaparlament gegen die umstrittenen Regelungen stimmen würden. Zudem sei es der den Sozialdemokraten nahestehende netzpolitische Verein D64 gewesen, der die Kampagne der Plattform "Save The Internet" organisatorisch unterstützt habe.

Steinmann warb dafür, dass sich die Wähler bei der im Mai anstehenden Europawahl nach dem Abstimmungsverhalten der Abgeordneten richten. So vertritt der bei den Demonstranten besonders unbeliebte Abgeordnete Axel Voss, der die Reform als Berichterstatter des Parlaments mit verantwortet, die Region Mittelrhein, zu der auch Köln gehört. Die Menge in Köln quittierte das mit "Voss muss weg"-Rufen.

Besonders erboste die Demonstranten neuerliche Vorwürfe aus dem Lager der Befürworter der Reform. So hatte der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary gegenüber der Bild von "gekauften Demonstranten" gesprochen und ihnen unterstellt, zusammen mit der Desinformation amerikanischer Konzerne die Demokratie zu gefährden.

Hiergegen verwahrten sich insbesondere die YouTuber Rewi und Rizo auf dem Kölner Heumarkt. So sprach Rizo von Verschwörungstheorien, die lediglich von den handwerklichen Fehlern des Gesetzes ablenken sollten. In die gleiche Kerbe schlug Rewi: "Es kann keine technisch vernünftige Umsetzung eines Uploadfilters geben."

Den Vorwurf, dass sich die Demonstranten von YouTube und Co instrumentalisieren ließen, wies auch Andreas Jürgensen, Gründer der Initiative "Foren gegen Uploadfilter" zurück. So habe er sich schon seit einem Jahr mit der anstehenden Urheberrechtsreform beschäftigt, die insbesondere für kleine Webforen ruinöse Folgen haben könnte.

"Foren sind für viele eine digitale Heimat" betonte Jürgensen, dem sich mittlerweile 450 Foren mit zusammen 19 Millionen Mitgliedern angeschlossen hätten. Hierzu gehörten nicht nur Hobbyforen, die sich mit Haustieren, Motorsport oder Fotografie beschäftigten, sondern auch Selbsthilfegruppen, die wichtige Wissensspeicher und Unterstützung zum Beispiel für Krebskranke seien. Diese seien besonders von den bevorstehenden Regeln betroffen, da sie sich weder teure Pauschallizenzen noch Uploadfilter leisten könnten.

Artikel 13 Demo in Köln – 23.März 2019 (40 Bilder)

(Bild: heise online/ Torsten Kleinz)

Im Bemühen seine Perspektive in den Gesetzgebungsprozess einzubringen, sei er von den Abgeordneten immer wieder abgewiesen worden. So sei ihm unterstellt worden, dass er sich überhaupt nicht informiert habe – und dann sei ihm gesagt worden, dass Foren gar nicht unter die neuen Regeln fallen. "Es gab eine Ausnahme für kleine Anbieter im Gesetz – die habt ihr aber wieder rausgenommen!", beschwerte er sich an die Adresse der Befürworter der Urheberrechtsform in der jetzigen Form.

Die resultierende jahrelange Rechtsunsicherheit sei wahrscheinlich zu viel, insbesondere für ehrenamtlich betriebene Foren, die dann wohl aufgeben müssten, bevor sie das Ziel von Abmahnanwälten würden. "Google und Co lachen sich schlapp über die EU, die ihnen die Konkurrenz vom Halse schafft", sagte Jürgensen. Dennoch dürfe man die Hoffnung in Europa insgesamt nicht aufgeben. (bme)