Epics Angriff auf Steam: Zwischen Shitstorm und Weltverbesserung

Frühe Erfolge gegen Steam hat der Epic Games Store auch Exklusivspielen zu verdanken. Die Community ist genervt – Epic spricht von einem notwendigen Übel.

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Epics Angriff auf Steam: Zwischen Shitstorm und Weltverbesserung

(Bild: JJFarq/Shutterstock)

Lesezeit: 7 Min.
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Jetzt also auch noch Anno! Gerade hat Ubisoft angekündigt, dass Anno 1800 doch nicht auf der erfolgreichsten PC-Plattform Steam erscheinen soll, sondern abseits von Ubisofts eigenem Uplay exklusiv im Epic Games Store angeboten wird. Damit stößt das Aufbaustrategiespiel zu einer Reihe von prominenten Titeln, die das Steam-Release zugunsten des Epic Stores abgesagt haben.

Metro: Exodus, The Division 2, Detroit: Become Human und Phoenix Point stehen auch auf dieser wachsenden Liste der Epic-Exklusivspiele. Die PC-Gaming-Community bringt das in Aufruhr, wie lange nichts mehr. Viele beäugen den Epic Games Store wegen der aggressiven Exklusivtitel-Politik kritisch, rufen sogar zum Boykott auf. Epic gibt hingegen vor, die Spielebranche zu einem besseren Ort machen zu wollen – erst einmal für Entwickler, später auch für Kunden. Sind die Exklusivspiele also ein geheiligtes Mittel zum guten Zweck?

Der Epic Games Store hat es als erster PC-Spiele-Laden seit Jahren geschafft, Steam wirklich weh zu tun. Die Idee, um den schwierigen Start zu meistern: Wenn die Entwickler ihre Spiele lieber im Epic Store veröffentlichen, haben die Spieler gar keine andere Wahl, als ihnen zu folgen. Von Anfang an umgarnt Epic die Entwicklerstudios. Nur 12 Prozent behält sich das Unternehmen von den Umsätzen ein, die über den Store verkaufte Spiele generieren – bei Steam sind es bis zu 30 Prozent. Ganz ohne Exklusivverträge haben Entwicklerstudios also schon ein Interesse daran, viele Kopien bei Epic zu verkaufen.

Epic kann sich das aufgrund seiner starken finanziellen Situation erlauben: Das Unternehmen kassiert Einnahmen aus der Vermarktung der Unreal Engine, auch der Battle-Royale-Überhit Fortnite druckt praktisch Geld. Mehr noch: Millionen Spieler, die Fortnite auf dem PC zocken, sind sowieso schon im Epic-Ökosystem und haben einen Account. Starke Voraussetzungen, um selbst einen scheinbar unangreifbaren Platzhirsch wie Steam ins Visier zu nehmen.

Epic gewährt Entwicklerstudios neben höherer Gewinnbeteiligung noch weitere Zugeständnisse. Auf der Produktseite eines Spiels werden, anders als bei Steam, keine Konkurrenzprodukte beworben. Nutzer-Reviews gibt es beim Epic Game Store noch gar nicht. Sie sollen irgendwann nachgereicht werden, aber optional bleiben.

Epic-Chef Tim Sweeney geht offen mit dieser Strategie um. "Es ist hoffnungslos, einen dominanten Store zu verdrängen, indem man ein paar mehr Features oder eine etwas einfachere Installation umsetzt. Diese Schlachten werden auf der Basis von Spiele-Verfügbarkeit, Preisen und Umsatzbeteiligung für Entwickler entschieden", sagte er im Interview mit MCV.

Zwar versucht das Unternehmen, mit hochklassigen Gratis-Spielen Kunden anzulocken. Das hervorragende Unterwasser-Survival-Spiel Subnautica und das Retro-Adventure Thimbleweed Park gab es zum Beispiel kostenlos . Als Plattform kann der Epic Store aber nicht mit Steam mithalten: Es gibt keine Foren, keinen Workshop, noch keinen Linux-Support. Wenn sie die Wahl haben, entscheiden sich die meisten Nutzer im Moment also für Steam.

Epic hat dafür einen Lösungsansatz: Man entfernt die Option Steam einfach aus der Gleichung. Metro Exodus wurde monatelang bei Steam vorverkauft, bevor es urplötzlich von der Plattform entfernt wurde – davon war sogar Steam überrumpelt. Spiele wie The Division 2 und nun Anno 1800 zogen nach, weitere dürften folgen.

Wie schafft es Epic, Studios, die ihre Spiele jahrelang auf Steam veröffentlicht haben, zur Exklusivität zu überreden? Über die Verträge ist wenig bekannt. Ein Beispiel, zu dem einige Informationen durchgesickert sind, ist das Rundentaktikspiel Phoenix Point. Das über Crowdfunding finanzierte Spiel stand im Zentrum eines Shitstorms, nachdem der versprochene Steam-Release zugunsten eines Exklusivvertrags mit Epic vorläufig abgesagt wurde.

Für die Entwickler kam die Kritik daran nicht überraschend. Man würde durch den Epic-Deal aber selbst dann Gewinn machen, wenn alle Vorbestellungen zurückgenommen werden würden, erklärte ein Community Manager im Discord-Chat. Demnach zahlt Epic keine direkte Summe an das Studio, sondern garantiert bestimmte Verkaufszahlen.

Erreicht Phoenix Point diese Gesamtzahl nicht, zahlt Epic trotzdem. Die Entwickler haben also eine finanzielle Garantie, auch im Fall, dass das Spiel floppt. Gerade für kleine Unternehmen ist das ein verlockendes Angebot. Ob Epic auch Deep Silver (Metro Exodus) und Ubisoft (The Division 2, Anno 1800) ähnliche Angebote unterbreitet hat, ist nicht bekannt. Auf Nachfrage von heise online wollte Ubisoft keine Stellungnahme abgeben.

Auf der GDC im März gab Epic Games erstmals Nutzerzahlen für den Epic Games Store an, demnach hat er mittlerweile 85 Millionen Nutzer. Eine direkt vergleichbare Statistik von Steam liegt nicht vor. Im Januar gab Valve immerhin bekannt, dass Steam jeden Monat von 90 Millionen Usern genutzt wird, die Zahl der Gesamtnutzer dürfte noch deutlich darüber liegen.

Dass der Epic Games Store Steam noch nicht gleich den Rang abläuft, war zu erwarten. Über ein Jahrzehnt hinweg hat sich die Valve-Plattform ganz oben auf dem PC-Markt festgesetzt, den Epic Store gibt es noch nicht einmal ein halbes Jahr. Zwischenerfolge hat Epic aber schon erreicht: Metro Exodus wurde im Epic Store laut Tim Sweeney 2,5 Mal so oft verkauft wie der Vorgänger auf Steam, alle Prognosen seien übertroffen worden. Auch Ubisoft bereut es bisher nicht, Steam den Rücken gekehrt zu haben.

Anno 1800 Screenshots (19 Bilder)

(Bild: Ubisoft)

Diese Zahlen lassen zumindest nicht darauf schließen, dass der Epic Store bald Geschichte ist. Aktuell scheint es, als könnte sich die Plattform nachhaltig als Steam-Konkurrent etablieren. Epic muss aber aufpassen, die Gaming-Community nicht noch mehr gegen sich aufzubringen. Die Exklusivdeals helfen in erster Linie den Entwicklern, verärgern aber die Kunden. Die formieren sich in den einschlägigen Foren gegen den Epic Store.

Epic-Chef Sweeney zeigt für die Kritik Verständnis: "Es geht letztlich darum, die Industrie zu einem besseren Ort zu machen. Ich verstehe, dass die Spieler das nicht erkennen. Sie wissen nicht, wie es ist, hart zu arbeiten und dabei zuzusehen, wie ein Store 30 Prozent der Einnahmen verschlingt."

Der Epic Store werde die Spieleindustrie langfristig positiv verändern, sagt Sweeney im Interview mit dem Branchenmagazin Gamesindustry.biz: "Es ist eine notwendige Bewegung, dank der Studios mehr Geld in die Entwicklung stecken und die Ersparnisse letztlich in Form niedrigerer Preise auch an die Kunden weitergeben können." Damit das klappt, müsse der Epic Store eben erst einmal Fahrt aufnehmen, argumentiert der Epic-CEO. Dieser Weg gehe zwangsläufig über Exklusivtitel.

Und Steam? Hält noch still und vertraut auf seine ungebrochene Marktmacht. Wie lange das gut gehen wird, ist schwer abzusehen. Die 70 Prozent Gewinnbeteiligung wackeln bereits: Kurz vor dem Start des Epic Store hat Steam eine Regelung eingeführt, dank der Entwickler bei besonders erfolgreichen Spielen 75 oder sogar 80 Prozent der Einnahmen behalten können. Vielleicht zieht Steam ja irgendwann mit Epics 88 Prozent gleich – das wäre ein unumstritten positiver Schritt für die Branche. (dahe)