Kommentar: Huawei & Google – das Straucheln der Datensammler

Google verwehrt Huawei den Zugriff auf Android – auf Bestreben der US-Regierung. Mit Sicht auf den Smartphone-Markt ist das aber nicht so schlimm.

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Huawei
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Inhaltsverzeichnis

Google wurde von der Trump-Regierung dazu gezwungen, dem chinesischen Hersteller Huawei für zukünftige Smartphones keinen Zugriff mehr auf Android zu gewähren – oder genauer: den Zugriff auf die Teile von Android zu nehmen, die Google kontrolliert. Das ist für beide Firmen eine Katastrophe: Google büßt Werbeeinnahmen ein, Huawei entgehen Verkaufserlöse. Und beide haben sich den Schlamassel selbst eingebrockt, weil sie Datenschutz und Datensparsamkeit zu wenig berücksichtigt haben. Die Ironie dabei: Anders als die EU-Wettbewerbshüter, die Google zu einer Strafe von 4,34 Milliarden Euro wegen Wettbewerbsbeschränkungen bei Android verdonnert haben, geht es der Trump-Regierung nicht um Datenschutz, sondern um einen Handelsstreit unter dem Deckmäntelchen von nationalen Sicherheitsinteressen. Die wiederum hängen sich an vermeintlichen Hintertüren in Huaweis 5G-Routern auf, für deren Vorhandensein etwa die Bundesnetzagentur keine Beweise sieht.

Das sieht also so aus, als müsse Huaweis Mobile-Sparte etwas ausbaden, für das, wenn überhaupt, die Netzwerksparte verantwortlich ist. Doch wen trifft es da? Ja, die Huawei-Smartphones bieten ein tolles Preis-Leistungs-Verhältnis, und etwa das P30 Pro hat die derzeit wohl beste Smartphone-Kamera. Aber die Huawei-Smartphones betteln auch unverblümt, dass die Nutzer doch bitte einen Account in der Huawei-Cloud anlegen, um dort Fotos, Fitnessdaten, Dateien und ganze Gerätebackups zu speichern. Und selbst wenn man dieser Versuchung widersteht, ist kaum herauszufinden, welche Informationen die Handys trotzdem nach China funken.

Ein Kommentar von Jörg Wirtgen

Schreibt seit 1999 für c't und heise online, anfangs über Mainboards und Prozessoren, dann Notebooks, seit vielen Jahren nun über Smartphones und Tablets. Daneben beschäftigen ihn Android-Programmierung und die Synchronisation des ganzen Geräteparks.

Ähnlich verhält sich auch Samsung mit der eigenen Cloud. Android-Smartphones mit Google-Apps und iOS-Smartphones mit Apple-Apps pumpen ebenfalls Daten in die Firmen-Clouds. Der Unterschied für die Trump-Regierung scheint nur darin zu bestehen, welche Geheimdienste denn nun Zugriff auf die Daten haben könnten, chinesische, südkoreanische oder US-amerikanische. Doch die wahren Gründe liegen ganz woanders – wobei kaum herauszufinden sein wird, ob Huawei Opfer des eigenen Erfolgs (gegen US-Netzausrüster), des eigenen Datenhungers oder doch der vom chinesischen Geheimdienst erzwungenen Backdoors ist. Die Probleme der Handy-Sparte ist jedenfalls vermutlich nur ein Kollateralschaden.

US-Sanktionen gegen Huawei

Google dürfte alles daran gesetzt haben, diesen Kollateralschaden so gering wie möglich zu halten. Dass die schon produzierten (und verkauften) Huawei-Smartphones praktisch keine Nachteile zu erwarten haben, haben die Kunden wohl Googles Anwälten zu verdanken. Um die Interessen dieser Kunden geht es ihnen dabei allerdings nicht, sondern auch wieder um Daten: Die Huawei-Telefone sollen doch bitte weiter Google-Werbung abrufen und Tracking-Daten sammeln. Einer der deutlichsten Profiteure ist übrigens Facebook, der neben Google größte Empfänger solcher Tracking-Daten aus Apps.

Würde Google transparenter damit umgehen, vielleicht weniger sammeln, vor allem aber alle Teile von Android freigeben, dann gäbe es jetzt gar keinen Hebel mehr, an dem die US-Regierung herumpfuschen könnte.

Was macht Huawei zukünftig? Ein alternatives Betriebssystem ohne Android-Apps? Dürfte sich kaum verkaufen, da den Leuten die Apps fehlen – daran sind auch Windows Phone, Blackberry und Palm OS gescheitert.

Ein Open-Source-Android mit alternativen Stores – die es in China übrigens schon haufenweise gibt? Diese Stores sind allerdings schlechter bestückt als der Play Store, was auch für weitere Alternativen wie Amazons Android-Store oder F-Droid gilt. Daran wird sich auch nichts Grundlegendes ändern, zumindest nicht für die globalen App-Anbieter.

Beides dürfte nicht in Huaweis und nicht in Googles Interesse liegen. Aber das ist ein Problem von Huawei: Die meisten Käufer außerhalb Chinas werden wohl einfach auf einen anderen Handy-Hersteller umschwenken – Problem für Google gelöst, die Daten fließen wieder.

Ein weiterer Einsatz seitens Google ist daher nicht zu erwarten, also ein Freigeben weiterer Android-Bestandteile oder gar ein Auslagern einiger Kompetenzen an eine Tochterfirma etwa in der EU oder Indien außerhalb der Reichweite der US-Regierung. Eher dürfte Google daran interessiert sein, seine in China kaum nutzbaren Dienste mit Einverständnis der chinesischen Regierung auch dort anzubieten – und das wäre eine dem Datenschutz mit Sicherheit konträre Lösung.

Als Profiteure der ganzen Geschichte könnten sich also Samsung und Sony erweisen, kleinere Hersteller wie Nokia, und natürlich auch, wenn nicht ebenfalls von ähnlichen Sperren betroffen, die anderen Chinesen wie Xiaomi, OnePlus und ZTE. Google ist es dabei egal, von wem die Daten fließen. Sogar der eigene Vorstoß, mit dem Pixel 3a und 3a XL günstigere Geräte anzubieten, mag mit Insider-Wissen davon zusammenhängen, dass hier ein paar Marktsegmente neu zu besetzen sind. Schade wäre es um die Huawei-Smartphones allerdings schon – die gibt es dann nur noch in China. Kein kleiner Markt, und im weiteren Verlauf des Handelsstreits ringt Huawei US-Vertretern wie Apple mit Sicherheit einige Verkaufsanteile ab.

Was nicht passieren wird: Ein Aufschwung von Open-Source-Android, CustomROMs wie LineageOS und Alternativ-Apps zu Google-Diensten, die datensparsamer arbeiten. Denn für diesen Schritt besteht gerade aufgrund des Schachzugs von Google und Huawei, den bestehenden Geräten weiter Updates und Apps auszuliefern, kein Grund. Besitzer von Huawei-Handys müssen nichts unternehmen, und zukünftige Android-Käufer haben lediglich eine Marke weniger zur Auswahl. Viele der Apps und Dienste, die unter Android-Nutzern beliebt sind, funktionieren zudem nur kompliziert oder gar nicht, wenn der Google-Unterbau fehlt.

Natürlich lohnt es immer, über Datenschutz nachzudenken: Wie man als Entwickler datensparsam programmiert, und vor allem, wie man als Anwender die höchstmögliche Hoheit über die eigenen Daten behält, gerade wenn man die Dienste der Datenkraken mag und nutzt. Der aktuelle Anlass, dass eine protektionistische Regierung der einen Datenkrake verbietet, eine andere Datenkrake zu füttern, ist dafür allerdings auch nicht besser als andere Anlässe. (jow)