Robotik-Konferenz RSS: Weiche Roboter sind keine Softies

Einen "Paradigmenwechsel in der Robotik" sehen Experten in "weichen Robotern". Statt um Kraft und Präzision geht es um Flexibilität, Zartheit und Passivität.

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Robotik-Konferenz RSS: Weiche Roboter sind keine Softies

(Bild: Sam Kriegman auf Twitter)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Weichheit muss keine Schwäche sein. Das gilt auch für Roboter, die aus weichem Material gefertigt sind: Sie können beachtliche Kräfte entwickeln – und unter Umständen die Gesellschaft grundlegend verändern.

Koichi Suzumori (Tokyo Institute of Technology) formulierte solche Gedanken in seiner Keynote auf der Konferenz Robotics: Science and Systems (RSS) in Freiburg. Seit 1986 beschäftigt er sich mit dem Gebiet der "soft robotics" und hat unter anderem ein sich selbst antreibendes Koloskop entwickelt, das sich mithilfe weicher Aktuatoren wie ein Tausendfüßler durch den menschlichen Darm bewegen und damit den Arzt bei Darmspiegelungen unterstützen kann.

Gegenwärtig erforscht er den 1948 in Deutschland erfundenen pneumatischen McKibben-Muskel, der im Prinzip aus einer Gummiblase besteht, die sich beim Aufblasen in der Länge verkürzt und damit den Muskel zusammenzieht. Diesen ursprünglich recht groben Muskel hat Suzumori auf Durchmesser von wenigen Millimetern verkleinert und Architekturen entwickelt, bei denen die kleinen Schläuche so miteinander verwoben werden, dass sie insgesamt eine größere Kontraktion und damit mehr Kraft erzeugen als ein einzelner großer Muskel.

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Damit lässt sich zum Beispiel Kleidung anfertigen, die ihren Träger bei bestimmten Handlungen unterstützt. Suzumori zeigte einen Ausschnitt aus einer Reportage des japanischen Fernsehens, in dem die Reporterin, als sie sich von einem Stuhl erhob, überrascht sagte: "Das fühlt sich an, als würde jemand meinen Hintern anheben!" Es lassen sich auch sehr feingliedrige Roboter konstruieren, die Suzumori in Anlehnung an die Skulpturen des Künstlers Alberto Giacometti als Giacometti-Roboter bezeichnet. Dazu zählen etwa ein zarter Sechsbeiner, der auch einen Sturz auf der Treppe ohne größeren Schaden übersteht, oder ein 20 Meter langer Roboterarm, mit dem sich komplizierte Inspektionen durchführen lassen.

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Unter dem Titel Kakenhi wird die Technik dieser weichen Roboter in Japan noch bis 2022 intensiv erforscht. Für Suzumori ist sie aber vor allem mit einem Wertewandel verbunden. Während es bei der konventionellen Robotik in erster Linie um Kraft, Schnelligkeit und Präzision ginge, stünden bei den weichen Robotern Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, Zartheit und Passivität im Vordergrund. Das brachte Suzumori mit dem gesellschaftlichen Wandel von der auf permanentes Wachstum ausgerichteten Gesellschaft zu Nachhaltigkeit in Verbindung. Dieser Wandel werde durch weiche Roboter unterstützt.

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Konventionelle Robotik sei natürlich weiterhin wichtig, räumte Suzumori ein. Das hänge aber von der jeweiligen Anwendung ab. Er ging hier nicht weiter ins Detail, dafür behandelte eine weitere Keynote einen Anwendungsbereich, der zu den am wenigsten umstrittenen zählen dürfte: den Einsatz von Robotern in der Katastrophenhilfe. Robin Murphy (Texas A&M University) berichtete, sie sei mittlerweile als teilnehmende Beobachterin in 29 Katastrophengebieten gewesen, und zeigte in einem Video, wie unterschiedlich und herausfordernd die Einsatzbedingungen sein können. Das Gelände sei extrem unstrukturiert, unvorhersehbar und verändere sich mit der Zeit. Menschen und Maschinen seien Belastungen ausgesetzt, die sie an ihre Grenzen bringen können, etwa hohen Temperaturen, extremen Druckverhältnissen oder hoher Feuchtigkeit.

Murphy ging auch auf die räumliche Enge ein: Viele Bereiche sind für Menschen nur schwer oder gar nicht zugänglich. Hier seien Roboter besonders wichtig. Es müsse aber darauf geachtet werden, dass sie den Operator nicht zusätzlich belasten. Hier habe sich gezeigt, dass zwei Operatoren nicht nur doppelt so gut, sondern "neunmal besser als einer" seien. Ähnliches gilt für Roboter: Gerade in der Kraftwerksruine in Fukushima war es ausgesprochen hilfreich, für eine Aufgabe zwei Roboter loszuschicken, wobei einer den anderen beobachtete und dadurch dem Operator ein besseres Verständnis für die Situation vermitteln konnte.

Mittlerweile gebe es genug Daten und Erfahrungen, um zu generellen Schlussfolgerungen zu kommen, meinte Murphy. Die Rettungsrobotik sei zu einer Wissenschaft gereift, die ihre Probleme systematisch angehen könne. Als eine wichtige Anforderung an Rettungsroboter ergebe sich aus den bisherigen Erfahrungen die Fähigkeit, mit unterschiedlichen Umgebungen zurechtzukommen. Nach einem Minenunglück im August 2007 etwa musste ein Roboter zunächst durch ein schmales Bohrloch hinabgelassen werden, war unten aber mit ganz anderen Verhältnissen konfrontiert, unter anderem großer Feuchtigkeit, die teilweise die Sensoren blockierte.

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Was die Aufmerksamkeit wieder auf die weichen Roboter lenken sollte, deren große Stärke ja unter anderem die Anpassungsfähigkeit sein soll. Hierzu stellte Sam Kriegman (University of Vermont) interessante Forschungen vor: In einem Video war zu sehen, wie einem pneumatisch kontrollierten, würfelförmigen Roboter die Beine abgeschnitten wurden – und er danach den Schaden kompensierte, indem er mit dem übrigen Körper eine neue Fortbewegungsart entwickelte. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Soft Robots keine Softies sind, dann war er spätestens hiermit erbracht.

(anw)