Wie die Sowjetunion den Mond verpasste

Nachdem Russland den Wettlauf ins All gleich zweimal gewonnen hatte, ging man die dritte Etappe eher gemächlich an – und verlor.

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Wie die Sowjetunion den Mond verpasste

(Bild:  Eberhard Marx, CC BY 3.0)

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  • Space
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Am 16. Juli 1969 war es soweit: Apollo 11 brach zur ersten Mondlandung auf - und am 20. Juli landete die Mondfähre Eagle mit Neil Armstrong und Buzz Aldrin auf dem Mond, während Michael Collins in der Apollo-Kapsel den Mond umkreiste. Am 21. Juli setzte dann Neil Armstrong als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond. In einem Schwerpunkt zur Mondlandung beleuchtet heise online die Ereignisse rund um die Apollo-Missionen.

Mit dem Start von Sputnik 1 im Oktober 1957 und von Wostok im April 1961 mit dem ersten Mann im All, Juri Gagarin, an Bord hatte die Sowjetunion den Wettlauf der Supermächte gleich doppelt für sich entschieden. Zwei Tage nach Gagarins Rückkehr startete US-Präsident John F. Kennedy, was zu diesem Zeitpunkt noch niemand wusste, den Wettlauf zum Mond. Für 20 Milliarden US-Dollar (was heute etwa 170 Milliarden Dollar entspricht) sollten innerhalb von zehn Jahren Amerikaner auf dem Mond landen. Am 25. Mai kündigte Kennedy das neue Programm auch offiziell an.

"Ein großer Schritt für die Menschheit": 50 Jahre Mondlandung

Die sowjetische Führung reagierte darauf mit Verzögerung – vielleicht, weil man die Kosten scheute. Denn die Herausforderungen waren riesig. Bei den Trägerraketen musste man von unter zehn Tonnen Traglast auf um die hundert Tonnen kommen. Die bisherigen Raumkapseln waren viel zu klein für eine mehrtägige Reise zum Mond. Die Kopplungstechnologie steckte noch in den Kinderschuhen, und es gab kein Landemodul. Eigentlich wollten die Wissenschaftler auch lieber zum Mars, der als Forschungsobjekt deutlich attraktiver erschien als der Mond. Schon in den 1950er Jahren planten sowjetische Ingenieure eine umfangreiche Expedition zu unserem Nachbarplaneten, unter anderem beim Konstruktionsbüro OKB-1, dem heutigen Energija-Raumfahrtkonzern. N1-Konstrukteur Koroljow erklärte später, dass die ersten Entwürfe der Schwerlastrakete im Rahmen einer möglichen Mars-Expedition erfolgten.

Dieser Artikel stammt aus dem Sonderheft von "Space – Das Weltraum-Magazin" zum 50. Jahrestag der Mondlandung. Anlässlich des Jubiläums ist es am 20. und 21. Juli portofrei im heise shop zu bestellen.

Die Pläne waren gewaltig: Man wollte mit 20 bis 25 N1-Starts im Erdorbit ein 1.600 Tonnen schweres Marsraumschiff ("MPK") bauen, das dann in 270 Tagen Flugzeit den Roten Planeten erreichen und dort einen Lander absetzen sollte. Nach einem weiteren Jahr wäre das Schiff zur Erde zurückgeflogen. Das Konzept wurde bald als unrealistisch eingestuft und verkleinert. Der 1959 entworfene "TMK" wäre nur noch 75 Tonnen schwer gewesen und hätte den Mars mit drei Kosmonauten bemannt umflogen. Eine Abwandlung des Konzepts sah eine zusätzliche Umrundung der Venus vor. 1966, kurz bevor man dann alle Kräfte auf den Wettlauf zum Mond konzentrierte, entwarf das Büro von Koroljow sogar noch eine umfangreiche Landemission "KK", die etwa 1980 starten sollte.

1962 begann OKB-1 dann mit der Bewertung verschiedener Mondflug-Projekte. Basierend auf den Mars-Konzepten und der dafür spezifizierten, 75 Tonnen tragenden N1-Rakete bevorzugte man zunächst ein Szenario, bei dem mit drei N1-Starts das Mond-Raumschiff plus zwei Tanker in den Orbit gebracht würden, die das Mondschiff dann mit dem nötigen Treibstoff versorgt hätten. Aber auch eine Mond-Station ("L4") wurde diskutiert, die als Ausgangspunkt für die weitere Erkundung des Alls dienen sollte, ein früher Vorgänger des Lunar Gateway der NASA also.

Die N1-Rakete erhielt nie einen offiziellen Namen. Mit 105 Metern Höhe war sie fünf Meter kleiner als die Saturn V. Ihre maximale Nutzlast lag deutlich unter den Werten der US-Konkurrenz.

(Bild:  Eberhard Marx, CC BY 3.0)

Diese komplexen Vorhaben wurde dann reduziert auf das Projekt L3, das aus der N1-Rakete, einem mit zwei Antriebsblöcken versehenen Raumschiff ("LOK") und einer Landfähre ("LK") bestand. An Bord wären zwei Kosmonauten gewesen, einer davon wäre im Rahmen eines Außenbordeinsatzes (EVA) im Mond-Orbit in das LK umgestiegen und damit für sechs bis 24 Stunden gelandet.

Apollo und LOK (unten) im Größenvergleich. Das zehn Tonnen schwere LOK hätte Platz für zwei Kosmonauten geboten und Energie aus Brennstoffzellen erzeugt.

(Bild:  Eberhard Marx, CC BY 3.0)

Parallel befasste sich das Raumfahrtbüro OKB-52 von Wladimir Tschelomei mit Konzepten für Mond-Umrundungen, die auf der Proton-Rakete und einer zweisitzigen Sojus-Kapsel basierten. Am 1. August 1964 wurde diese Aufteilung per Erlass des Ministerrats bestätigt. "Wir dürfen den Mond nicht den Amerikanern überlassen", soll Nikita Chruschtschow gesagt haben, "alles, was dafür gebraucht wird, werden wir bereitstellen."