Afghanistan: Nur die Versöhnung ..

Archivbild Kabul: US Army National Guard/gemeinfrei

.. und nichts anderes kann das Land retten. Kommentar

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In einem klimatisierten Fünf-Sterne-Palast in der katarischen Hauptstadt Doha versammelten sich in der vergangenen Woche afghanische Politiker, Vertreter der afghanischen Zivilgesellschaft und die in Katar ansässige Polit-Delegation der Taliban. Der sogenannte intra-afghanische Dialog fand endlich statt - mehr oder weniger. Offiziell nahm jede Person privat teil, auch die Vertreter der "Marionettenregierung", wie die Taliban oftmals die Kabuler Regierung von Präsident Ashraf Ghani bezeichnen.

Kurz zuvor pausierte, ebenfalls in Katar, eine weitere Verhandlungsrunde zwischen den Taliban und den Amerikanern. Der erwartete Abzugsplan der US-Truppen wurde zwar immer noch nicht vorgestellt, dennoch werden die Verhandlungen weiterhin als großer Durchbruch betrachtet. Was oftmals weiterhin zu kurz kommt, sind die Afghanen selbst.

Damit sind keineswegs privilegierte Politiker, korrupte Warlords oder im Ausland lebende Extremistenführer gemeint, sondern die einfachen Menschen, für die so selten, wenn überhaupt, gesprochen wird - und die am meisten durch den Krieg im Land leiden.

Trotz Verhandlungen: Die Angriffe gehen weiter

Denn während im weit entfernten Golfemirat gesprochen, diniert und viel Tee getrunken wurde, starben in Afghanistan abermals Menschen. Ein Taliban-Anschlag in der Provinz Ghazni kostete Dutzenden von Menschen, darunter zahlreichen Zivilisten, das Leben. Hinzu kam ein US-Drohnenangriff im nördlichen Baghlan, der sieben Familienmitglieder tötete und am Tag darauf wütende Proteste auslöste, sowie ein Armeeangriff auf ein Krankenhaus in der Provinz Wardak.

Alle Taliban-Operationen gingen wie gewohnt weiter. Selbiges betraf auch die Angriffe der afghanische Armee sowie des US-Militärs, die in diesem Jahr mehr Zivilisten getötet haben als die Aufständischen. All das passt für viele Afghanen nicht zusammen. Wie kann man über Frieden sprechen, während man weiterhin Menschen ermordet und Krieg führt?

Warum verhandeln, wenn der Sieg sicher ist?

Hinzu kommt die Frage, inwiefern jene, die in Katar sprechen, die afghanische Gesellschaft repräsentieren. Dies gilt nicht nur für die Technokraten der Kabuler Regierung oder die korrupten Oppositionspolitiker um Ex-Präsident Hamid Karzai, sondern auch für die Taliban-Delegation, die mittlerweile seit einigen Jahren in Doha verweilt, während ihre Feldkommandanten und ihre Fußsoldaten unerbittlich kämpfen und sich unter anderem folgende Frage stellen: Warum sollen wir verhandeln, wenn wir uns ohnehin auf dem Siegeszug befinden?

"Ihr habt die Uhren, doch wir haben die Zeit", lautet ein afghanisches Sprichwort. Die Realität am Hindukusch beschreibt es ganz gut. Die Briten kamen ganze drei Mal, doch irgendwann sahen sie ein, dass ihr Eroberungsversuch gescheitert war. Selbiges betraf die Rote Armee, und dasselbe Schicksal wartet auch auf Washington.

Hohe US-Militärs haben in den letzten Jahren mehrmals betont, dass es praktisch unmöglich ist, das ländliche Afghanistan - was die Mehrheit des Landes ausmacht - auf Dauer einzunehmen.

Was nach einem US-Abzug passiert, bleibt weiterhin offen. Nicht wenige befürchten einen neuen Bürgerkrieg ähnlich wie in den 1990er-Jahren. Dass Mächte wie China, Russland, Pakistan und natürlich auch die USA diesen für ihre eigenen Interessen abermals ausnutzen werden, ist mehr als offensichtlich. Afghanistan war schon immer ein geostrategischer Spielball.

Diesen Ball müssen nun endlich die Afghanen selbst in die Hand nehmen. Gespräche, Dialog und Versöhnung sind Dinge, die groß geschrieben werden müssen - und zwar von allen innerafghanischen Akteuren. Nicht nur die letzten vier Jahrzehnte, sondern auch die Jahre zuvor haben deutlich gemacht, dass Afghanistan nicht mit Kalaschnikows und Drohnen gerettet werden kann, sondern nur mit Worten, Austausch und einer nationalen Versöhnung.

Konkret bedeutet dies, dass alle Parteien - egal ob Ex-Kommunisten, religiöse Führer, Liberale, Taliban-Mitglieder und Frauenaktivistinnen - zusammenkommen, um über die Zukunft ihres Landes zu debattieren.

Dies ist nun endlich in Katar geschehen. Es war ein erster, kleiner Schritt in Richtung Frieden. Allein dies ist mehr als Grund genug, um diesen Weg nun weiter zu beschreiten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Inhalt geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.