Die Zwickmühle der CO2-Steuer

Bild: Andreas Lischka, Pixabay

Wirksam oder mehrheitsfähig? Wer eine CO2-Steuer realisieren will, die auch wirkt, muss diese Zwickmühle überzeugend auflösen.

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Welches Thema könnte die nächste Bundestagswahl entscheiden? Die CO2-Steuer hat das Potential dazu. Denn sie ist ein höchst geeignetes Thema für einen Wahlkampf.

Laut Pew Research Studie ist Deutschland eines von 13 Ländern der Welt, in denen das Thema Klimawandel als größte Bedrohung überhaupt empfunden wird, noch vor Atomkrieg und Super-GAU, Kapitalismus und Schere zwischen Arm und Reich, Umweltzerstörung, Digitalisierung, Massenarbeitslosigkeit und Altersarmut. Zweitens unterscheiden sich die Parteien hier eklatant, polarisierend und leicht erkennbar. Und drittens ist die Grundidee so simpel, dass sie die meisten Wähler verstehen: Eine Besteuerung mit x Euro pro Tonne soll die Emissionen verringern.

Ein erster Orientierungspunkt sind die 180 Euro pro Tonne CO2, die das Bundesumweltamt als erforderlich betrachtet. Deutschland produziert offiziell (ohne die Bilanzierung importierter Konsumgüter) 866 Mio. Tonnen CO2 jährlich, was 10,4 Tonnen pro Einwohner entspricht. Vom Pkw- und Lkw-Verkehr über Heizung, Flüge, Schiffstransporte, Landwirtschaft und Hausbau bis zu Fleisch- und Milchprodukte-Konsum, Industrieproduktion und dem Stromverbrauch bei Handel und Dienstleistern verursacht so gut wie alles Gase, die bei entsprechend hoher Konzentration die Temperaturen steigen lassen können. Neben CO2 sind dies vor allem Methan und Lachgas aus der Landwirtschaft.

Das World-Watch-Institute berechnete in der Publikation "Livestock and Climate Change" den tatsächlichen Gesamtanteil der Tierhaltung an allen klimaschädlichen Gasen (also nicht nur CO2, sondern auch CO2-Äquivalente inklusive Methan und Lachgas) mit 51 Prozent. Methan gilt als 25-fach und Lachgas als 298-fach klimaschädlicher als CO2. Landwirtschaftliche Gase entstehen durch tierische Ausscheidungen, das Beheizen und Kühlen von Ställen und der offenen Lagerung von Mist und Gülle.

Hinzu kommen Gase aus dem Ackerbau, also (vor allem in Südamerika und Asien) durch die Umwandlung von Wäldern in Ackerflächen, die Herstellung von Dünger sowie Ausgasungen landwirtschaftlich genutzter Moorböden. Das heißt: Wenn die Emissionen wirkungsvoll reduziert werden sollen, muss der Fleisch- und Milchprodukte-Konsum so hoch besteuert werden, dass sich fast niemand mehr nennenswert viel Fleisch und Milchprodukte leisten kann. Damit wären wir auch schon mitten im Wahlkampfthema:

Positionen im Wahlkampf

Die Grünen wollen eine möglichst hohe Steuer, mit zunächst 40 Euro/Tonne als Einstieg und 180 Euro/Tonne als Zwischenziel. Im Gegenzug soll allen Bürgern je 100 € "Energiegeld" ausgezahlt werden. Würde man die offiziellen 10,4 Tonnen CO2 pro Bürger komplett mit lediglich 40 Euro/Tonne besteuern, würde jeder Bürger netto mit 316 Euro belastet, also eine 3-köpfige Familie mit 948 Euro im Jahr. Die Maximalforderung stellt Annalena Baerbock mit einer CO2-Bremse im Grundgesetz.

Die Union will die Steuer eigentlich gar nicht, beugt sich aber seit dem Europawahl-Desaster ein wenig dem Druck u.a. von Fridays for Future und dem Bewusstsein, dass ihnen die Stammwähler wegsterben. Also denken CDU und CSU über eine symbolische homöopathische Dosis sowie die Umbenennung der Steuer in "Bepreisung" nach. Bei Abstimmungen über Klimaschutzforderungen von Grünen und Linken stimmten alle GroKo-Abgeordneten gemeinsam mit der AfD und der Mehrheit der FDP dagegen.

Die FDP lehnt sie ab und setzt wie üblich auf den freien Markt und auf genau den Emissionshandel, der noch nie funktionierte und CO2 mit wirkungslosen 25 Euro/Tonne bepreist. Die SPD legt sich auf keine Zahl fest, um beim Versuch zu scheitern, es allen Recht zu machen. Die Linke will eine Steuer "ab" zunächst 60 Euro/Tonne für Strom, Heizöl, Gas und Kraftstoffe, die mit der Stromsteuer verrechnet wird, sowie eine noch nicht bezifferte hohe Besteuerung von Flügen. Die AfD lehnt die Steuer vollkommen ab.