Flug übers arktische Eis

Flugscham, das Wort hat nun eine Website mit nur einem Ziel – dich richtig schuldig fühlen zu lassen. Ob‘s auch mit den Konsequenzen im realen Leben klappt?

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In der vergangenen Woche bloggte mein Kollege Wolfgang Stieler über eine Folge des Wissenschafts-Podcast vom Guardian, die sich um die Psychologie des Klimaleugnens drehte. Daraus stammt ein interessantes Zitat, das mir seither nicht mehr aus dem Kopf geht: "Das menschliche Gehirn ist nicht dafür geeignet, um auf Bedrohungen zu reagieren, die in der Zukunft liegen", das sagte Debika Shome, die einen Leitfaden zur Psychologie der Kommunikation über den Klimawandel mitentwickelt hat.

Nun macht eine Website von sich Reden, die sicher gut als Ergänzung dienen könnte, um dem Menschem und seinem Gehirn, die Auswirkungen seines Tuns noch stärker zu verdeutlichen. Es geht um shameplane.com. Der schwedische Digital Designer Viktor Müller hat sie sich ausgedacht. Der Name der Website spielt auf den Begriff der Flugscham an, der seit einiger Zeit geläufig ist. Ziel der Seite ist, es zu zeigen, wie hoch der CO2-Ausstoß des Fliegens ganz konkret ist. Man kann sich das mit eigenen Eingaben zu Start- und Zielflughäfen selbst vorrechnen lassen, etwa für einen Flug von Berlin nach New York (Hin- und Rückflug). Im Ergebnis wird angezeigt, wie viel Arktisches Eis dadurch schmilzt. Für mein Beispiel sind es 7,5 Quadratmeter, beziehungsweise 2,5 Tonnen CO2 – und das nur ein der Economy Class. Auch die Erste und Business Klasse lassen sich anklicken.

Doch dabei lässt es die Website nicht. Weiter unten findet man eine Liste mit Optionen, die helfen, den CO2-Ausstoß eines konkreten Flugs wieder auszugleichen, beispielsweise durch vegetarisches Essen, Recycling, wiederverwendbare Einkaufsbeutel oder der Verzicht aufs Autofahren. Die Flüge von Berlin – New York – Berlin könnte ich dementsprechend wieder wettmachen, indem ich mich ein Jahr lang vegetarisch ernähre, auf das Auto verzichte und nur lokale Lebensmittel konsumiere. Puh!

Die Berechnungen basieren auf nach Angaben der Webseiten-Betreiber auf neuen internationalen Statistiken über Passagier- und Frachtgut sowie die verschiedener Flugzeugtypen. Einbezogen wird die Reisedistanz, Gesamtmenge an verbrauchtem Treibstoff pro Flug, Gesamtmenge an emittiertem CO2, abzüglich des Ladegut, die Gesamtemissionen für alle Passagiere, Emissionen pro durchschnittlichem Passagier, Anpassung an die gewählte Flugklasse für den individuellen Reisenden.

Die Fluggäste aber beschämen zu wollen, sei nicht seine Absicht, erklärt Initiator Müller gegenüber dem Portal Vox. Vielmehr prangert er die Vielfliegerei an. Schießlich muss nicht für jede Urlaubsreise das Flugzeug genommen werden. Und ob Geschäftsreisen innerhalb Deutschlands auch jedesmal per Flugzeug unternommen werden müssen, lässt sich sicher auch überdenken. Wobei natürlich die Alternative Bahn da auch so ihre Tücken hat. Nichtsdestotrotz ist Shameplane.com ein gutes Werkzeug, das ein Stück weit mehr zur Bewusstwerdung der Auswirkungen von Flugreisen beiträgt.

(jle)