NSA: Programm zur Vorratsdatenspeicherung inaktiv – vorerst

Der US-Geheimdienstbeauftragte hat erklärt, dass die NSA eines ihrer umstrittensten Überwachungsprogramme nicht mehr nutze. Die Befugnis sei aber nötig.

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NSA: Programm zur Vorratsdatenspeicherung inaktiv, soll aber bleiben

(Bild: asharkyu/Shutterstock.com)

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Nach zahlreichen Andeutungen und Vermutungen gibt es nun erstmals die Bestätigung, dass die NSA die in den USA umstrittene Vorratsdatenspeicherung derzeit nicht anwendet. "Die National Security Agency hat das Programm für Details von Telekommunikationsdaten ausgesetzt", schrieb der scheidende US-Geheimdienstbeauftragte Dan Coats in einem Brief an den Kongress. Die von Providern erhaltenen Verbindungs- und Standortinformationen seien gelöscht worden.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Die Entscheidung fielt laut einem Bericht der New York Times nach einem Abwägungsprozess. Dabei habe die Verwaltung den vergleichsweise geringen Aufklärungsnutzen des Programms den Kosten und Bedenken rund um die "Integrität" der Daten gegenübergestellt. Der Einsatz dieser von den Telekommunikationsfirmen erzeugten elektronischen Spuren sei überaus komplex gewesen.

Obwohl das 2015 geänderte Programm zur Massenüberwachung auch von US-Bürgern mithilfe von Metadaten derzeit nicht funktioniert, plädiert Coats trotzdem dafür, die im USA Freedom Act verankerte entsprechende Befugnis beizubehalten und zu entfristen. Sie würde sonst Mitte Dezember auslaufen. An sich sei die Analyse von Vorratsdaten sinnvoll und werde vermutlich immer nützlicher. Mit dem technischen Wandel "werden sich auch das Handwerkszeug und die Kommunikationsgewohnheiten unserer Gegner weiterentwickeln und anpassen", gab der frühere US-Botschafter in Deutschland zu bedenken.

Zuvor hatte es geheißen, dass die NSA selbst der Regierung in Washington vorgeschlagen habe, das problematische Programm auch offiziell zu beenden und die einschlägige Rechtsgrundlage nicht zu verlängern. Mit dem Plädoyer des übergeordneten Beauftragten für alle US-Geheimdienste sieht es nun aber nicht mehr danach aus, dass sich das Kabinett von US-Präsident Donald Trump für eine entsprechende Reform des Freedom Act starkmachen wird.

Mit dem Gesetz darf die NSA grundsätzlich Festnetz- und Handyanschlüsse auch von Millionen US-Amerikanern überwachen. Die Metadaten kann sie aber nicht mehr wie in den Zeiten vor den Snowden-Enthüllungen von vornherein selbst aufbewahren, sondern muss sie von den Telekommunikationsgesellschaften mehr oder weniger anlassbezogen beziehen. Diese führen in den USA häufig von sich aus eine weitgehende "freiwillige Vorratsdatenspeicherung" durch.

2018 hatte die NSA auf Basis ihrer gesetzlichen Kompetenzen noch 434 Millionen Verkehrsdaten eingesammelt. Mitte vorigen Jahres musste der technische Geheimdienst aber bereits einräumen, dass es auch bei der eingehegten Variante zu "technischen Irregularitäten" gekommen war. Es seien Informationen – vermutlich über US-Bürger – an die Behörde gelangt, die sie nicht hätte besitzen dürfen. Im Juni war bekannt geworden, dass es mindestens in einem weiteren Fall zu einer ähnlichen "Anomalität" bei dem gelieferten Datenmaterial gekommen war.

Die NSA soll das Programm daher schon im Spätherbst weitgehend eingestellt haben. Sie bezieht aber auch aus anderen, intensiv sprudelnden Quellen Metadaten etwa von befreundeten Geheimdiensten aus dem Ausland wie dem Bundesnachrichtendienst (BND), von denen öffentlich kaum mehr die Rede ist.

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Gegen den Plan, die Rechtsgrundlage für die Abfrage der Vorratsdaten auf Dauer oder noch einmal zeitlich begrenzt aufrechtzuerhalten, protestieren Bürgerrechtler. Es sei überfällig, das Programm ein für alle Mal zu beenden, appellierte Patrick Toomey von der American Civil Liberties Union (ACLU) an den Gesetzgeber. Die NSA habe damit über die Jahre hinweg Hunderte Millionen Daten von Nutzern in den USA eingesaugt, obwohl es keinen Nachweis über die Erforderlichkeit des Instruments gebe. Derart weitreichende und unkontrollierbare Befugnisse dürften die Spione nicht länger in Händen halten.

Im Freedom Act sind weitere Überwachungskompetenzen verankert, die hauptsächlich das FBI nutzt. Dabei geht es etwa um die ebenfalls umstrittenen "National Security Letters", mit denen die Polizeibehörde umfangreiche Daten von Firmen abfragen kann, sowie um Möglichkeiten, allein handelnde terroristische Gefährder mit Bezug zum Ausland sowie wechselnde Telefonanschlüsse überwachen zu dürfen. Die Debatte über eine Novelle des Gesetzes wird dadurch nicht einfacher. (mho)