Ein halbes Jahr Flugverbot: Was wird aus Boeings 737 Max?

Noch immer stehen die Boeing 737 Max wegen des Flugverbots am Boden. Je länger sich die Wiederzulassung hinauszögert, desto größer wird das Debakel für Boeing.

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Ein halbes Jahr Flugverbot: Was wird aus Boeings 737 Max?

(Bild: Boeing)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hannes Breustedt
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Zwei Abstürze des bestverkauften Flugzeugmodells 737 Max haben den Luftfahrt-Giganten Boeing vom erfolgsverwöhnten Weltmarktführer zum Krisenfall gemacht. Ein halbes Jahr nachdem die Unglücksflieger weltweit mit Startverboten belegt wurden, bleibt die Ungewissheit groß. Wann darf die 737 Max wieder abheben? Klar ist bislang nur: Je länger sich die Wiederzulassung hinzieht, desto prekärer und teurer wird es. Das gilt für Boeing, aber auch für Airlines und Zulieferer – kurz: die gesamte Luftfahrtindustrie.

Vor dem Boeing-Werk in Renton nahe der US-Westküstenmetropole Seattle im Bundesstaat Washington ist das Debakel inzwischen nicht mehr zu übersehen. Selbst auf dem Mitarbeiterparkplatz stehen nagelneue 737-Max-Jets, die nicht an Kunden ausgeliefert werden können. Boeing hat die 737-Produktion im Zuge der Flugverbote zwar um 20 Prozent gedrosselt, trotzdem werden in der Hoffnung auf eine rasche Wiederzulassung weiter rund 42 Maschinen pro Monat gefertigt. Die müssen nun in Renton und andernorts zwischengelagert werden.

Für Boeing bedeutet der erzwungene Auslieferungsstopp somit nicht nur massive geschäftliche Einbußen, sondern auch großen logistischen Aufwand. Laut US-Medien braucht das Unternehmen vorübergehend Hunderte von zusätzlichen Mitarbeitern, die sich um Zwischenlagerung und Instandhaltung der Flugzeuge kümmern. Ein Boeing-Sprecher wollte sich dazu nicht konkret äußern. Doch auf der Job-Website des Konzerns befinden sich etliche entsprechende Angebote. Dabei sind die bisherigen Kosten für Boeing ohnehin schon immens.

Allein im zweiten Quartal brockte das 737-Max-Debakel dem Airbus-Rivalen einen Rekordverlust von 2,9 Milliarden US-Dollar, umgerechnet etwa 2,6 Milliarden Euro, ein. Der Umsatz fiel um 35 Prozent auf 15,8 Milliarden Dollar. Boeings gesamte Schadensbilanz seit den im März verhängten Flugverboten belief sich nach Angaben von Bloomberg bereits Ende Juni auf 8,3 Milliarden Dollar. Entlastung gab es seitdem nicht, im Gegenteil: Es kamen weitere Klagen, Konflikte und Probleme hinzu, die eine Wiederzulassung der 737 Max eher noch weiter verzögern dürften.

Als entscheidende Ursache der Flugzeugabstürze in Indonesien und Äthiopien, bei denen im Oktober und März insgesamt 346 Menschen starben, gilt eine fehlerhafte Steuerungssoftware von Boeing. Der Hersteller steht im Verdacht, die 737 Max unter hohem Konkurrenzdruck durch den europäischen Erzrivalen Airbus überstürzt auf den Markt gebracht und dabei die Sicherheit vernachlässigt zu haben. Boeing bestreitet dies, hat jedoch verschiedene Pannen und Fehler eingeräumt. In den USA gibt es zahlreiche Klagen und Ermittlungen, ob bei der Zertifizierung der 737 Max alles mit rechten Dingen zuging.

Da wegen der ursprünglichen Zulassung der Krisenjets auch die US-Luftfahrtbehörde FAA in der Kritik steht, könnte es weltweit zu Unstimmigkeiten kommen, wann die Maschinen wieder abheben dürfen. Bislang wurde international die US-Linie befolgt, doch diesmal könnte es Widerstand geben. Kein Wunder: Die FAA soll wichtige Prüfungen bei der 737 Max zunächst Boeing selbst überlassen haben. Ob die Behörde ihre Pflichten verletzt hat, ist Gegenstand von Ermittlungen. Fest steht: Viel Vertrauen ist schon verloren. Alexandre de Juniac, Chef des Weltairline-Verbands IATA, äußerte sich jüngst "beunruhigt und enttäuscht" vom Mangel an Einigkeit zwischen den Aufsichtsbehörden.