Die unglaubliche Reise eines verrückten Supertankers

Seit Wochen verfolgt die Welt die Fahrt des iranischen Tankers "Adrian Darya 1". Doch seine wahre Geschichte handelt nicht von Syrien oder EU-Sanktionen, sondern von amerikanischer Isolationspolitik

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Zehntausende Frachtschiffe sind derzeit auf den Weltmeeren unterwegs. Zusammen sorgen sie für rund 90 Prozent des weltweiten Warenverkehrs und halten so weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit die Weltwirtschaft am Laufen. Nur ein Schiff tanzt seit Wochen aus der Reihe. Der iranische Supertanker Adrian Darya 1, ehemals Grace 1, beschäftigt seit Monaten Politik und Medien weltweit. Aber warum eigentlich?

Unter dem Namen Meridian Lion erblickte das Schiff irgendwann Mitte der 1990er in einer Schiffswerk in Südkorea das Licht der Welt. Sieht man von einer Kollision mit einem anderen Tanker im Jahr 2007 am Eingang zum Suez-Kanal ab, verbrachte der Tanker sein Leben weitgehend abseits der Öffentlichkeit.

Wie so viele seiner Kollegen fuhr er mal unter der Flagge der Marshallinseln, mal unter der Panamas. Mal gehört er einer amerikanischen Schiff-Holding, mal einem Unternehmen aus Dortmund. Aber egal in wessen Auftrag der Tanker auch gerade unterwegs war, er machte immer dasselbe: Er transportierte Rohöl von einem Land zum anderen. Um genau zu sein 2,084 Millionen Barrel Rohöl. Zum Vergleich: Das entspricht in etwa dem Inhalt von 130 Olympischen Schwimmbecken oder dem Rohöl-Bedarf der Bundesrepublik pro Tag.

Die Geschichte vom iranischen Schiff, das europäische Sanktionen verletzt

Die unglaubliche Reise der Grace 1, in deren Verlauf sich das Schiff vom gewöhnlichen Öltanker zum Symbol des Konflikts zwischen Iran und dem Westen wandeln sollte, begann wahrscheinlich Ende Mai an einer Ölverladestationen des Persischen Golfes. Wohin und mit wessen Fracht sich die Grace 1 damals auf den Weg machte, ist bis heute nicht eindeutig geklärt.

Die wahrscheinlichste Version ist, dass sie von Beginn an mit iranischem Öl beladen Kurs auf Syrien nahm. Zu schwer für eine Fahrt durch den Suezkanal, hatte sie den weiten Weg rundum Afrika nehmen müssen, bis ihre Fahrt in der Nacht vom 4. Juli 2019 überraschend endete.

Irgendwo in der Meerenge zwischen der britischen Exklave Gibraltar und der spanischen Exklave Ceuta enterten 30 Soldaten eine Spezialeinheit der Royal Marines mittels Hubschrauber und Schnellboot das Schiff, brachten den Tanker unter ihre Kontrolle und verhaftete die Besatzung. Der Grund für die Beschlagnahmung: Da die Grace 1 auf ihrem Weg nach Syrien britische Hoheitsgewässer durchquert hatte, hatte das Schiff gegen das Öl-Embargo der Europäischen Union verstoßen. So zumindest äußerte sich umgehend der britische Außenminister Jeremy Hunt und prägte damit die Erzählung von der Fahrt der Grace 1 bis heute.

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