Bundesregierung verabschiedet Blockchain-Strategie

Die Bundesregierung hat die Blockchain als zukunftsträchtige Schlüsseltechnologie ausgemacht und will sie laut einer neuen Strategie nach Kräften fördern.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 113 Kommentare lesen
"Weichen für die Token-Ökonomie": Bundesregierung verabschiedet Blockchain-Strategie

(Bild: phive / shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Bundesregierung will mit 44 Maßnahmen die Nutzung der sogenannten Blockchain-Technologie in Deutschland fördern, die auch hinter Kryptowährungen wie dem Bitcoin steckt. Ein zentraler Punkt des Strategiepapiers, das am Mittwoch im Bundeskabinett verabschiedet wurde, ist die geplante Digitalisierung von Wertpapieren. "Die Bundesregierung will das deutsche Recht für elektronische Wertpapiere öffnen“, heißt es in dem Papier. Die aktuell zwingende Vorgabe der Papierform solle nicht mehr uneingeschränkt gelten.

Künftig will die Bundesregierung laut ihrem Strategiepapier auch für virtuelle Börsengänge, die mit der Ausgabe von Digitalmünzen über die Bühne gehen, einen rechtlichen Rahmen schaffen. Bei diesen "Initial Coin Offerings" (ICOs) wurden allein im vergangenen Jahr nach Berechnungen des Fachportals Coinschedule umgerechnet knapp 20 Milliarden Euro eingenommen. Viele ICOs stellten sich aber im Nachhinein als Flop oder gar als Betrugsmanöver heraus.

Den Start sollen digitale Schuldverschreibungen machen – noch in diesem Jahr soll es einen Gesetzentwurf geben, der diese technologieneutral erlaubt, also auch auf einer Blockchain. Danach will man die Möglichkeiten digitaler Aktien und Investmentfondsanteile prüfen. Durch herkömmliche Währungen gedeckten Stablecoins, etwa dem von Facebook initiierten Libra, erteilte die Regierung eine Absage: "Die Bundesregierung wird sich auf europäischer und internationaler Ebene dafür einsetzen, dass Stablecoins keine Alternative zu staatlichen Währungen werden."

Als ein mögliches Einsatzfeld für Blockchains sieht die Bundesregierung etwa die Energieversorgung. Unter anderem sollen Tests von Musterlösungen für eine dezentrale Energiewirtschaft gefördert werden, ebenfalls soll in diesem Jahr noch eine Machbarkeitsstudie zu Blockchain-basierter "Erfassung und Steuerung von Energieanlagen mithilfe des Smart-Meter-Gateways“ erscheinen. Vorarbeiten für eine Anbindung von Energieanlagen an eine öffentliche Datenbank hätten bereits begonnen.

Ferner soll das Potenzial von Smart Contracts, also in Code auf der Blockchain gegossene Vereinbarungen, ausgelotet werden. Gemeinsam mit der Deutschen Energie-Agentur (dena) soll ein Register aufgebaut werden, welche vertraglichen Sachverhalte in der Energiewirtschaft sich sinnvoll in solche automatisierten Verträge überführen lassen. Das soll schließlich in eine frei zugängliche Plattform münden, bei der sich Entwickler bedienen können. Ähnliche Register seien dann auch für andere Branchen angedacht.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Inhalt geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Ein weiteres Beispiel, das die Bundesregierung aufführt, sind Verifikationen von Abschluss- und Weiterbildungszeugnissen, Credit Points von Studiengängen (ECTS) und sonstigen Kompetenzzertifikaten auf Basis von Blockchaintechnik. Hier will man gemeinsam mit den Ländern und der Dachorganisationen der Kammern die Möglichkeiten prüfen. Das könne etwa der internationalen Mobilität der Studierenden förderlich sein.

Ob jedes der in der Strategie aufgeführten Projekte so sinnhaft ist, scheint aber fraglich. Unter anderem wird ein Vorhaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aufgeführt zur "Verwaltung von Asylprozessen in der Blockchain". Das Projekt machte im Mai durch Kosten von 4,5 Millionen Euro von sich reden, obwohl die grundsätzliche Eignung der Technik für den Einsatz durchaus bestreitbar ist.

Eins der Probleme ist Datenschutz: Informationen, die in eine Blockchain eingestellt werden, sollen darin dauerhaft gespeichert werden und nachträglich nicht mehr verändert werden können. Vorgeschriebene Löschfristen oder Korrekturansprüche könnten so kaum befolgt werden, selbst wenn Pseudonyme eingesetzt würden.

In der Branche kam der Plan der Regierung gut an: "Die Bundesregierung setzt mit einer eigenen Blockchain-Strategie ein Zeichen“, erklärte der Digitalverband Bitkom. Die Initiative könne der jungen Technologie den nötigen Schub verleihen. "Deutschland bietet sich die Chance, eine weltweite Vorreiterrolle beim Einsatz und bei der Entwicklung der Blockchain einzunehmen", sagte Bitkom-Präsident Achim Berg. Zu häufig tauchen nach Ansicht des Bitkom aber Begriffe wie "prüfen“, "untersuchen“ oder "evaluieren“ bei den vorgesehenen Maßnahmen auf – hier sei mehr Geld für Grundlagenforschung nötig.

Markus Kaulartz, Blockchain-Experte der Wirtschaftskanzlei CMS, sagte, die Strategie der Bundesregierung übertreffe alle Erwartungen. "Was die Fintechs angefangen haben, treibt der Gesetzgeber weiter: Dass die Bundesregierung das deutsche Recht noch dieses Jahr für elektronische Wertpapiere öffnen will, bringt große Disruptionen in den Finanzsektor.“

Marcus Ewald vom Verein Blockchain Bundesverband erklärte, mit der Strategie werde Deutschland das weltweit mit Abstand innovativste Regelwerk für Blockchain schaffen. "Erstmals seit dem 01.01.1900 dürfen Urkunden digital sein." Gleichzeitig kritisierte Ewald den Plan der Bundesregierung, sich der Digitalwährung Libra von Facebook in den Weg zu stellen: "Zwar sollte der Staat die Basisquelle für Währung sein – aber was geschaffen werden muss, ist ein Regelwerk, das neue digitale Währungen formt, und nicht eins, das sie verbietet.“

Kritik gab es etwa aus der Opposition: "Was heute veröffentlicht wurde, stellt lediglich eine grobe Zusammenfassung von Meinungen aus der Online-Konsultation dar, die um ein paar in den Ministerien isoliert geplanten oder schon begonnenen Maßnahmen ergänzt wurde“, erklärte der FDP-Abgeordnete Mario Brandenburg. Von "Fantasy, PR-Speak" und durch die Bundesregierung geförderten "Einhornaufzuchtstätten“ sprach der Informatiker und Aktivist Jürgen Geuter alias Tante auf Twitter.

Bislang schwebt über dem Einsatz einer Blockchain abseits der Kryptowährungen die Frage, ob konventionelle Datenbanktechnik das nicht genauso gut oder gar noch besser abbilden kann. Die Killeranwendung lässt bislang noch auf sich warten. Ob die Vorhaben der Bundesregierung sie hervorbringen, wird sich zeigen. (Mit Material der dpa) / (axk)