Das Einhorn aus Schwaben – Teamviewer geht an die Börse

Der Börsengang der Softwareschmiede Teamviewer aus Göppingen ist nicht nur für abgeklärte Schwaben eine kleine Sensation.

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Das Einhorn aus Schwaben – Teamviewer geht an die Börse

(Bild: TeamViewer)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Annika Grah
  • Thomas Burmeister
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Die Entwicklung geschah eigentlich aus Eigennutz. Um sich mittels Ferndiagnose von Computer zu Computer die oft langen Wege zu Kunden seiner Softwarefirma zu ersparen, hatte Tilo Rossmanith 2005 die Software Teamviewer entwickelt. Aus dem gleichnamigen Unternehmen ist Rossmanith längst ausgestiegen – möglicherweise zu früh. Denn inzwischen beschäftigt Teamviewer rund 800 Mitarbeiter in Europa, den USA und Asien und ist mehr als fünf Milliarden Euro wert. Ein Einhorn, wie man Start-ups nennt, die einen Milliardenwert erreichen, war Teamviewer schon vor Jahren.

Am heutigen 25. September wagt sich Teamviewer nun auf das Parkett der Frankfurter Börse. Für den Hersteller von Software zur Fernwartung von Computern und Videokonferenzen geht es dabei um viel: Sollten bis alle angebotenen 84 Millionen Aktien zum Höchstpreis von 27,50 Euro verkauft werden können, wäre der Börsengang 2,3 Milliarden Euro schwer. Für den Eigner, den Finanzinvestor Permira, hätte sich die Investition damit mehr als gelohnt. Permira hatte Teamviewer 2014 für 870 Millionen Euro gekauft. Nun könnte der Investor mit einem Teilverkauf seiner Aktien Kasse machen – und gleichzeitig als Großaktionär engagiert bleiben.

Und auch nach dem Börsengang sind die Aussichten gut. Für dieses Jahr erhofft sich Teamviewer Wachstumsraten von bis zu 39 Prozent bei den in Rechnung gestellten Umsätzen und war zuletzt äußerst profitabel. Das Unternehmen bietet nicht nur die Software zur Fernwartung, sondern auch Programme für Videokonferenzen. Ein Werkzeug, das von Firmen gerade in Zeiten des Abschwungs gerne genutzt wird, um Reisekosten zu sparen.

Teamviewer bietet seine Programme bereits im Abo-Modell an – eine Umstellung, die andere Softwareunternehmen noch vor sich haben. Derzeit haben die Göppinger rund 368.000 Abonnenten – mehr als doppelt so viele wie Ende Juni 2018. Die Software, die in der Basisversion für Privatkunden kostenlos ist und bleiben soll, wird derzeit auf mehr als 340 Millionen Geräten aktiv eingesetzt.

Mit großem Interesse wird der Börsengang von Teamviewer in Göppingen verfolgt – bekannt unter anderem als Sitz des Modellbahnproduzenten Märklin, des nach eigenen Angaben weltweit führenden Pressenherstellers Schuler und als Geburtsstadt von Fußballidol Jürgen Klinsmann. Angesichts des beeindruckenden Wachstums von Teamviewer war man sich in der Stauferstadt einig: So eine moderne Firma sollte in dem Industriestandort, der sich im 19. Jahrhundert mit dem Bau der württembergischen Eisenbahn am Rande der Schwäbischen Alb entwickelt hatte, unbedingt gehalten werden.

"Wir haben alles darangesetzt, dass Teamviewer in Göppingen bleibt", sagt Oberbürgermeister Guido Till (CDU). "Da stand Stuttgart als Konkurrenz an", berichtet der 64-Jährige. Teamviewer suchte dringend einen modernen und ausreichend großen Hauptsitz für allein dort mittlerweile 400 Mitarbeiter aus rund 50 Nationen. "Daraufhin hat der Gemeinderat unseren Vorschlag angenommen, dass wir unser eigenes im Bau befindliches Verwaltungszentrum unweit des Bahnhofs dauerhaft für Teamviewer zur Verfügung stellen", sagt der Oberbürgermeister. Abgewickelt wurde der Verkauf über die örtliche Sparkasse.

"Für uns ging es dabei auch darum, wie Göppingen sich als Wirtschaftsstandort in Zukunft behaupten kann", sagt Till. Er verweist auf den globalen Trend, dass große Exportfirmen Teile ihrer Produktion in ihre Absatzmärkte in Asien und Amerika verlagern. Davor sei auch Göppingen in den kommenden Jahren kaum gefeit. "Wir begrüßen deshalb auch den Börsengang von Teamviewer, denn wir meinen, dass Streubesitz auch gut für die Standortsicherheit ist."

Da das Interesse der Investoren dem Vernehmen nach sehr hoch ist, könnte Teamviewer zum größten Tech-Börsengang seit dem Frühjahr 2000 werden. Damals hatte der früher zum Siemens-Konzern gehörende Chip-Hersteller Infineon rund sechs Milliarden Euro erlöst – kurz danach war der Börsenhype in Deutschland vorbei, und der sogenannte Neue Markt kollabierte.

Für Teamviewer ist der Gang aufs Parkett auch ein Schritt aus der Nische – oder wie das Management um den früheren Permira-Manager Oliver Steil auf der Webseite schreibt: Man wolle "den verborgenen Teil der oft verwendeten Hidden-Champion-Zuschreibung hinter sich lassen". (kbe)