Nach Anschlag in Halle: Seehofer will Gamerszene stärker in Blick nehmen

Bundesinnenminister Horst Seehofer sorgt nach dem rechtsextremistischen Terroranschlag in Halle mit Äußerungen zur Gamerszene für Irritation.

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Seehofer will Gamerszene stärker in Blick nehmen

(Bild: JJFarq/Shutterstock.com)

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Von
  • dpa

Nach dem Terroranschlag von Halle hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mit Äußerungen zu Computerspiel-Plattformen im Internet eine Kontroverse in sozialen Medien ausgelöst. "Das Problem ist sehr hoch. Viele von den Tätern oder den potenziellen Tätern kommen aus der Gamerszene", sagte er der ARD. Die Sendung "Bericht aus Berlin" verbreitete einen entsprechenden Auszug aus einem Video-Interview mit dem Minister per Twitter.

Der rechtsextremistische Attentäter von Halle hat vor der Tat einen Ablaufplan veröffentlicht, der wie eine verschriftlichte Version eines Computerspiels wirkt. Nach Einschätzung von Sicherheitsbehörden nutzen Extremisten unterschiedlicher Couleur auch Gaming-Plattformen. Da der Austausch oft ohne Moderation erfolgt, bieten sich einige dieser Foren für Kommunikation unterhalb des Radars der Behörden an. So fordert der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion auch eine Meldepflicht für Hass-Postings in sozialen Netzwerken. Mathias Middelberg pocht zudem auf Fortschritte bei der Reform des Verfassungsschutzes, die auch ein Gesetzesentwurf von Seehofer vorsieht und bei der Kompetenzen für den Inlandsgeheimdienst bei der Überwachung verschlüsselter Kommunikation und bei Online-Durchsuchungen erweitert werden sollen.

"Manche nehmen sich Simulationen geradezu zum Vorbild", sagte Seehofer. "Man muss genau hinschauen, ob es noch ein Computerspiel ist, eine Simulation oder eine verdeckte Planung für einen Anschlag. Und deshalb müssen wir die Gamerszene stärker in den Blick nehmen."

Der Interview-Auszug löste auf Twitter Spott und Kritik aus. Nutzer schrieben, Seehofer lenke mit seiner Wortmeldung vom Problem des Rechtsextremismus ab und stelle Gamer unter Generalverdacht. "Die Neunzigerjahre haben angerufen und wollen ihre Killerspiel-Debatte zurück. Ernsthaft: Digitaler Rechtsextremismus ist ein riesen Problem", kommentierte der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle. Vielmehr gehe es um die Kommunikation auf bestimmten Plattformen. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast mahnte zur Besonnenheit: "Wir sollten mal in Ruhe auf das Problem schauen. Und genau hin sehen. Und uns nicht über das Wort Gamerszene von Seehofer in die Irre leiten lassen. Um die geht es nämlich nicht."

[Update 13.10.2019 17:03 Uhr:] Der Autor Mario Sixtus stimmte auf Twitter zu, dass man über Gamer reden müsse, die rechte Attentäter feierten. Er schrieb aber: "Wenn ausgerechnet dieser Innenminister den Fokus auf die Gamerszene lenken will, ist es mindestens naheliegend, anzunehmen, er tut das, um die Rechtsextremen auf der Straße und in den Salons weiterhin genauso totschweigen zu können wie bisher."

Felix Falk, Geschäftsführer des Bundesverbands Game, erklärte: "Eigentlich müsste jedem längst klar sein: So wenig wie man Filme oder Bücher für Hass und Gewalt verantwortlich machen kann, so wenig sind Games und ihre Community hierfür die Ursache. Stattdessen haben wir in Deutschland ein beängstigendes Problem mit Rechtsextremismus."

Der Minister präzisierte seine Position am Sonntag auf Twitter: "Wir prüfen derzeit alle Facetten, wie Rechtsextremismus besser bekämpft werden kann. Wir sehen, dass Rechtsextremisten das Internet und auch Gaming-Plattformen als Bühne für ihre rechtswidrigen Inhalte missbrauchen. Ob analog oder digital: Wir wollen Rechtsextremisten überall dort bekämpfen, wo sie aktiv sind." Seehofer betonte am Sonntag, das Problem sei eine "Unterwanderung" der Szene.

(emw)