Grünflächen wie Parks in Innenstädten forcieren die Gentrifizierung

San Remo Apartments am Central Park in NYC. Bild: Jean-Christophe Benoist / CC-BY-3.0

Mehr Grün in Städten fördert Wohlergehen und Gesundheit, wie Studien belegen, aber es kann auch die "grüne Ungleichheit" befördern

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Dass den Menschen in den Städten Pflanzen guttun, ist vielfach belegt. Auch wenn Patienten in Krankenhäusern einen Blick ins Grüne haben, sollen sie schneller gesunden. Menschen, die in Städten aufwachsen und leben, sollen auch anfälliger für psychische Störungen wie Depressionen, Angststörungen oder Schizophrenie als Menschen auf dem Land sein. Nähe zu Grün soll die Zufriedenheit erhöhen. Kindern eine längere Aufmerksamkeitsspanne verleihen oder den kognitiven Abbau beim Altern verlangsamen oder das Alzheimer-Risiko senken.

Wissenschaftler vom Institut für Sport und Sportwissenschaft des KIT Karlsruhe, des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim und der Universität von Heidelberg haben durch eine Studie, die in Nature Neuroscience erschienen ist, die positive Wirkung von Grün bestätigt. Besonders Menschen, die sich schwerer tun, negative Gefühle kontrollieren zu können, sprechen am stärksten auf Grünflächen und Bäume in der Innenstadt an. Die Wissenschaftler verweisen darauf, dass die positive Wirkung von Wiesen, Blumen und Bäumen nicht nur die Folgen der Klimaerwärmung in den Städten abmildern können, sondern eben auch den urbanen Stress reduzieren kann, was auch deswegen wichtig sei, weil immer mehr Menschen in Städten leben werden.

Für die Studie wurden 33 in der Stadt lebende Versuchspersonen im Alter von 18 bis 28 Jahren gebeten, eine Woche lang neunmal am Tag ihre Stimmung in eine GPS-basierte Smartphone-App einzugeben, während sie ihrem normalen Tagesabläufen nachgingen. Aus Luftaufnahmen und mit Mitteln der Geo-Information wurde der Anteil der Grünflächen in ihrer Umgebung ermittelt. Ergebnis: Wenn sie sich in der Nähe von mehr Grünflächen befanden, war ihre Stimmung besser. In einem zweiten Schritt wurden 52 weitere junge Versuchspersonen gebeten, ihre Stimmung ebenso festzuhalten. Nach den sieben Tagen wurde ihr Gehirn mittels funktioneller Magnetresonanztomographie gescannt. Das Ergebnis stimmte mit dem der ersten Gruppe überein. Von beiden Gruppen wurden Daten über körperliche Aktivitäten und Wetterdaten gesammelt und ausgewertet.

Je größer die Grünflächen in der Umgebung der Stadtbewohner sind, desto besser geht es ihnen. Mit den Gehirnscans stellte sich heraus, dass Menschen auf Grünflächen am stärksten reagierten, deren dorsolateraler präfrontaler Kortex eine geringere Aktivität aufweist. Dieses Areal hat nach den Wissenschaftlern eine Steuerungsfunktion für die Verarbeitung von negativen Gefühlen und Stress in der Umwelt. Und weil die "psychiatrische Morbidität in Städten hoch" ist, schreiben die Wissenschaftler, sei es wichtig, "mögliche veränderbare Schutzfaktoren" zu finden. Man müsse, so Markus Reichert, einer der Autoren, "Grünflächen gleichmäßig in der Stadt verteilen", weil das "ein großes Potenzial für die Prävention psychischer Krankheiten" haben könne. Das wird aber gerade zu einem wachsenden Konflikt, weil der Mangel an bezahlbarem Wohnraum und die Investitionen in Immobilien als Kapitalanlage gerade zu einer Verdichtung der Bebauung führen und Freiflächen zunehmend überbauen, anstatt sie zu vergrößern.

Mit der Verteilung in Städten sieht es aber nicht so gut aus. Normalerweise haben ärmere Stadtviertel weniger Grünflächen, während in den Villenvierteln Gärten, Parks und Bäume zu finden sind. Nun haben ärmere Menschen sowieso eine geringere Lebenserwartung, dass ihnen der tägliche und nahe gelegene Zugang zu Grünflächen häufig fehlt, könnte dazu auch einen Beitrag leisten. Aber es gibt noch einen weiteren Zusammenhang zwischen Grünflächen und dem Leben in der Stadt. Sie können Motor der Gentrifizierung sein.

Es ist nicht nur so, dass reichere Menschen seit der Renaissance der Städte wieder in die Innenstädte, um näher an ihren Arbeitsplätzen zu wohnen, sondern auch, weil sie dort in der Nähe Zugang zu einer Vielzahl an Einkaufs-, Kultur- und Freizeitangeboten wie Restaurants, Theater, Museen, Fitnesstudios etc. haben. Man will aber gleichzeitig mitten in der Stadt, aber auch im Grünen und Ruhigen wohnen, also dort, wo es Gärten, Bäume an den Straßen oder einen Park gibt. Gentrifiziert werden daher auch gerne Stadtviertel, die beides haben. Die Rolle von Parks und Grünflächen bei der Gentrifizierung haben Alessandro Rigolon von der University of Utah und Jeremy Németh von der University of Colorado untersucht. Ihre Studie ist in den Urban Studies erschienen, Richard Florida fand sie auch interessant.

Die Autoren gehen von Untersuchungen aus, dass nach der Anlage von neuen Parks in bislang nicht für Investitionen interessanten Stadtvierteln eine Gentrifizierung stattzufinden zu scheint. Die Preise steigen, farbige Menschen mit geringen Einkommen werden verdrängt. Vorgeschlagen wird etwa, der "grünen Gentrifizierung" zu begegnen, indem nur kleine Parks zusammen mit erschwinglichem Wohnraum nach der Devise "gerade grün genug" angelegt werden, damit die Investoren und Reicheren nicht angezogen werden.

Um zu überprüfen, ob diese Strategie greift, untersuchten die Autoren 10 Städte in den USA, wo 2000-2008 und 2008-2015 neue Parks angelegt wurden, und schauten, ob dies nach Daten von Einwohnererhebungen (Einkommen, Haus- und Mietpreise, Anteil von Hochschulabsolventen, ethnischer Hintergrund) in der Umgebung je nach Lage, Größe und Verkehrsanbindung zur Gentrifizierung geführt hat. Stadtviertel bzw. Zensusgebiete, in denen das Medianeinkommen unter dem Durchschnitt der gesamten Stadt liegt, gelten als gentrifizierungsfähig. Im Jahr 2000 war etwa die Hälfte der Stadtviertel gentrifizierungsfähig, bis 2016 wurden zwischen 12 Prozent wie in Houston und bis zu 27 Prozent wie in Denver gentrifiziert. Dabei wurden bis 2008 mit 381 Parks mehr angelegt, als in der Zeit nach der Finanzkrise (215), was auf Sparmaßnahmen zurückführbar sein könnte oder aber auf steigende Grund- und Immobilienpreise.

Danach bestätigt sich, dass Parks die Gentrifizierung fördern. Die Größe spielt dabei keine Rolle, aber die Lage. Am stärksten haben neue, über eine Meile lange Grünzüge, die 2008-2015 mit einer Verkehrskomponente wie Fahrradwegen angelegt wurden, zur Gentrifizierung beigetragen. Das ist in Großstädten wie New York ebenso wie in mittelgroßen wie Denver oder Seattle. Im Umreis von 600 Metern um eines neuen großen Grünzugs wie der High Line in New York oder der 606 Trailer in Chicago höhte sich die Wahrscheinlichkeit einer Gentrifizierung um mehr als 200 Prozent. Und neue Parks im Stadtinneren verursachen eine stärkere Gentrifizierung als in den Außenbereichen. Die Wahrscheinlichkeit steigt um 90 Prozent. Jede Meile weiter entfernt vom Stadtzentrum sinkt die Wahrscheinlichkeit um 20 Prozent.

Die Schlussfolgerung der Autoren überrascht nicht, auch wenn die Forderungen kaum umgesetzt werden dürften: "Wenn wir sehen, dass große Parks Gentrifizierung nicht stärker fördern als kleine, sollten Stadtplaner und Politiker die tief verwurzelten Ungleichheiten angehen, indem sie entscheidende Mengen an neuen Grünflächen in einkommensschwache Viertel von farbigen Bewohnern, in denen es wenige Parks gibt, anlegen und gleichzeitig in der Nähe für erschwinglichen Wohnraum sorgen und diesen schützen."