Fleischersatz aus der Luft?

Huhnfleischsimulation aus CO2? Bild: Air Protein

Air Protein und andere Start-ups haben Verfahren entwickelt, um mit Bakterien CO2 in Protein umzuwandeln und damit die Lebensmittelproduktion klima-, umwelt- und tierschutzfreundlich zu machen

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Auf Fleisch wollen die meisten nicht verzichten, zumindest nicht auf das Aussehen, den Geschmack und die Konsistenz beim Verzehr. Weil aber die Fleischproduktion erheblich zur Klimaerwärmung beiträgt und zu viel Fleischkonsum auch der Gesundheit nicht zuträglich sein soll, wurden in letzter Zeit vegane Burger modisch, während die Fleischproduktion aus Tierzellen noch vor sich hindümpelt und bislang zu teuer ist (Vegane Burger: Der Hype mit den Pflanzenpflanzerl).

Jetzt hat - natürlich in Kalifornien - ein Start-up eine neue Idee entwickelt, nämlich vegetarischen Fleischersatz aus Luft herzustellen. Alleine ist das Start-up nicht. Auch andere Firmen wie Novo Nutrients, das aber eher an Fischfutter denkt, oder Solar Foods verfolgen dieselbe Idee. Es wird also darauf ankommen, wer zuerst große Mengen billig produzieren und auf den Markt für menschliche oder tierische Nahrung bringen kann.

Die Idee geht nach Air Protein auf die Nasa zurück, die in den 1960er Jahren bei der Erforschung von geschlossenen Kohlenstoffkreisläufen für bemannte Raumflüge Bakterien, so genannte Hydrogenotrophen, entdeckt hatte, die wie Pflanzen Kohlendioxid, das die Astronauten ausatmen, in Proteine umwandeln. Das klingt ein bisschen nach einem perpetuum mobile. Man wolle, so wird die Geschäftsidee verkauft, die Landwirtschaft mit Tieren und überhaupt die landwirtschaftliche Nutzung durch das "nachhaltigste Protein" ersetzen. Auch Wasser wie sonst die Landwirtschaft brauche man dafür nur sehr wenig und die Herstellung sei auch nicht abhängig vom Wetter.

Fleisch aus Luft, die wir atmen

Letzte Woche verkündete Air Protein, das erste "Fleisch" aus der "Luft, die wir atmen", erzeugt zu haben. Das luftbasierte Fleisch brauche nicht wie in der Tierhaltung Wochen oder Monate zur Herstellung, sondern nur Stunden. Natürlich wird das als Revolution der Lebensmittelproduktion angepriesen, zudem sei es eine "elegante", weil innovative Lösung für das wachsende Problem, die Weltbevölkerung zu ernähren. Hingewiesen wird auf die FAO, die sagt, dass angesichts des Bevölkerungswachstums die Lebensmittelproduktion bis 2050 um 70 Prozent zunehmen müsse, dafür stünde aber nur noch 5 Prozent mehr landwirtschaftlicher Fläche zur Verfügung. Die Landwirtschaft ist für etwa 30 Prozent der Treibhausgase verantwortlich.

Lisa Dyson, CEO des Sturt-ups: "Die Welt lernt pflanzenbasiertes Fleisch zu schätzen, wir glauben, luftbasiertes Fleisch ist die nächste Evolution der Bewegung für nachhaltig produzierte Lebensmittel, ohne Druck auf natürliche Ressourcen auszuüben."

Die probiotisch genannte Technik stammt von der Biotech-Firma Kiverdi, die von Lisa Dyson mitgegründet wurde und kommerzielle Lösungen für geschlossene Kohlenstoff-Kreisläufe entwickelt. Notwendig sind Bakterien, die sich in geschlossenen Fermentierungstanks oder Bioreaktoren mit Wasser in entsprechender Temperatur befinden, in den CO2 und andere Nährstoffe hineingepumpt werden. An Energie zur Hydrolyse des Wassers wird Strom aus Erneuerbaren verwendet. Die Bakterien erzeugen aus CO2 und Wasser einen Nährstoff in Form eines braunen Pulvers mit "neutralem Geschmack", das zu 80 Prozent aus "vollständigem" Protein besteht, das vergleichbare Aminosäuren wie Fleisch enthalten soll. Dazu sollen Vitamine wie B12, wichtig für Veganer, und Mineralstoffe kommen. Mit dem Pulver ließen sich dann Lebensmittel herstellen, beispielsweise in Form und Aussehen wie Fleisch, aber auch für Nudeln oder Brot.

Die Bakterien in den Bioreaktoren könnten, so Dyson, 10.000 mal mehr Nahrung pro Landfläche erzeugen und bräuchten 2000 mal weniger Wasser als der Anbau von Sojabohnen, die etwa zur Herstellung von Veggie-Burger genutzt werden. Das luftbasierte Protein soll auch doppelt so viele Aminosäuren enthalten wie Sojabohnen. Und dann wird der Luft eben CO2 entzogen, anstatt neues hinzufügen.

Proteinpulver mit neutralem Geschmack, aus dem sich alle möglichen Lebensmittel machen lassen sollen. Bild: Air Protein

Versprochen wird viel, nächstes Jahr sollen erste Produkte vorgestellt werden. Geworben wird damit, keine genveränderten Organismen, keine Pestizide, keine Herbizide, keine Hormone, keine Antibiotika zu brauchen: "Air Protein wird mit der Nutzung nur natürlicher Prozesse hergestellt." Details der Herstellung sind nicht bekannt. Man wird sehen müssen, ob sich eine Massenherstellung zu marktfähigen Preisen realisieren lässt - und ob das bakterienerzeugte Proteinpulver bei den Menschen ankommt und welchen ökologischen Fußabdruck das Verfahren in der Massenproduktion haben wird.

Zunächst einmal scheint die Technik, sollten die Menschen von tierischer und pflanzlicher Nahrung auf Lebensmittel umsteigen, die ähnlich nahrhaft sind, aber nur in Form, Geschmack und Konsistenz gewohnte natürliche Produkte simulieren, eine wichtige Lösung zur Bekämpfung der Klimaerwärmung darzustellen. Es würden weniger Flächen gebraucht, die wieder von landwirtschaftlich genutzten in wie auch immer natürlich wachsende umgewandelt werden könnten, und es würden nicht nur kaum CO2-Emissionen erzeugt, sondern diese auch noch verarbeitet. Das Verfahren mit dem durch natürliche Prozesse hergestellten künstlichen Nahrungspulver gleicht aber anderen Materialien wie Beton in der Baubranche oder Plastik, aus denen sich auch fast alles machen lässt, aber zu einem Preis.