Linux App Summit: Den Desktop für App-Entwickler attraktiver machen

Auf dem LAS2019 beratschlagten Open-Source-Akteure, wie es mehr Apps für Linux geben kann und wie sich die Hürden für Entwickler beseitigen lassen.

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Linux App Summit: Den Dekstop für App-Entwickler attraktiver machen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Keywan Tonekaboni
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Wie wird der Linux-Desktop attraktiver für Nutzer und Entwickler? Darüber diskutierten Gnome-, KDE- und andere Open-Source-Entwickler in der vergangenen Woche auf dem Linux App Summit in Barcelona. Im Fokus standen dabei nicht nur die Nutzer, sondern auch externe Anwendungsentwickler. In diversen Vorträgen wurden die Distributionen als ein Hindernis zwischen App-Entwicklern und Nutzern beschrieben.

In der Keynote zur Eröffnung des Linux App Summit (LAS) rief KDE-Entwickler Mirko Böhm die Anwesenden auf, den Nutzen aus Benutzersicht zu bewerten. In einer Art "Crashkurs Wirtschaft" beschrieb er ökonomische Betrachtungen zu Open Source. In der Vergangenheit sei zu viel Fokus auf Code-Produktion gelegt worden.

Die Portierung einer Software auf eine moderne Programmiersprache, ohne neue Funktionen oder erkennbaren Wert für die Benutzer, sei sinnlos, meint Böhm. Bei den für die Nutzer (vordergründig) uninteressanten Grundlagen – wie Bibliotheken oder Systemkomponenten – müsse man zusammenarbeiten. Die Abgrenzung von Anderen, könne dann in den Funktionen oder über Dienstleistungen bestehen.

Mit harschen Worten beschrieb Owncloud- und Nextcloud-Gründer Frank Karlitschek die aktuelle Situation für externe Entwickler: "We all suck"; frei übersetzt: "Wir (die Open-Source-Community, Anm. d. Red.) sind alle mies darin". Bei der Entwicklung des Linux-Desktop-Clients für NextCloud habe er selbst erfahren, wie schwierig dies sei.

Nextcloud-Chef Frank Karlitschek und KDE-Entwickler Mirko Böhm fordern einen Sinneswandel bei den Open-Source-Entwicklern.

Es gäbe kein zentrales Entwickler-Portal, wo sich Dokumentation und Software-Developer-Kits finden, während dies bei Apple, Android oder Microsoft üblich sei. Die Schnittstellen (API) seien weder stabil noch über die Desktops oder Distributionen hinweg konsistent. Die Verteilung über Pakete sei ein überholter Ansatz, da dieser Distributionen aus den neunziger Jahren geschuldet sei.

Karlitschek sagte, er fände es gut, wenn es Microsoft Office oder Adobe Photoshop für Linux gäbe, denn dann kämen auch die Nutzer. Dafür müsse sich die Denkweise in der Community ändern. Statt interner Kämpfe bräuchte es mehr Zusammenarbeit.

Zwar gibt es Freedesktop.org, dass die Interoperabilität zwischen verschiedenen grafischen Bedienoberflächen wie Gnome und Plasma-Desktop verbessern soll. Karlitschek hält das für nicht ausreichend: "Wenn wir damit beschäftigt sind, miteinander zu konkurrieren, dann schaffen wir es nicht, mit der proprietären Welt zu konkurrieren."

Einen Ansatz, den Entwicklungsprozess zu vereinfachen, bieten die Distributions-übergreifenden Pakettypen wie Flatpak oder das von Ubuntu-Sponsor Canonical entwickelte Snap. Doch auch hier beginnt durch den Zwist zwischen Canonical und den meisten anderen Distributionen eine Fragmentierung. Dagegen stellten die Codethink-Entwickler Valentin David und Adam Jones das Freedesktop SDK vor, mit dem man mithilfe von BuildStream oder Docker automatisch Pakete für beide Systeme in einem Rutsch erstellt. Zusätzlich bietet das SDK an, Linux-Apps unabhängig von den GNOME- und KDE-Bibliotheken zu entwickeln.

Robert McQueen, der Vorsitzende von Gnome, schlägt eine Bezahloption in Flathub vor.

Robert McQueen – seines Zeichens Collabora-Mitgründer, Vorstandsvorsitzender der Gnome Foundation und CEO von Endless OS – stellte in Aussicht,dass es auf Flathub ein Bezahlsystem unter dem Dach der Gnome-Foundation geben soll, mit dem man ausschließlich für freie Software-Apps bezahlen kann. Derzeit kläre man in der Stiftung die rechtlichen und finanziellen Fragen.

Im Gespräch mit heise online sagte McQueen: "Wir versuchen den am wenigsten kontroversen Ansatz, damit wir einen Schritt vorwärts kommen." Angedacht sei eine Bezahlung über den Dienstleister Stripe, aber da dessen Dienste in vielen Ländern nicht verfügbar sind, müsse man auch weitere Lösungen entwickeln. Flathub-Entwickler Alexander Larsson erklärte in seinem Vortrag über Flathub-Repositories, wie der Bezahlvorgang serverseitig integriert werden soll. Larsson hofft auf eine Umsetzung bis Ende kommenden Jahres.

In vielen Vorträgen ging es darum, wie Apps beziehungsweise deren neueste Versionen schneller und einfacher bei den Benutzern ankommen. Dabei wurden Distributionen als Flaschenhals beschrieben, die App-Entwickler und Nutzer künstlich voneinander trennen. Diese These vertrat beispielsweise Matthias Clasen, der Manager in Red Hats Desktop Team ist. Es müsste zwischen einem stabilen Grundsystem und den Apps unterschieden werden.

Die Gnome-Entwickler Tobias Bernard und Jordan Petridis warnten davor, von "der Linux-Plattform" zu sprechen: Es gäbe durch zahlreiche Distributionen und grafische Oberflächen unzählige Plattformen. Stattdessen plädierten sie dafür, die Plattform als konsistentes Gesamtsystem aufzufassen. Als positives Beispiel nannten sie Elementary OS, die Grundsystem, Desktop und Anwendungen aus einem Guss anbieten. Rob McQueen plädierte für einen Neustart von Freedesktop.org, um den Desktop für externe Entwickler attraktiver zu machen.

Der Linux App Summit war die erste gemeinsam von Gnome und KDE veranstaltete Konferenz seit dem Desktop-Summit 2011 in Berlin. Die Veranstalter wollen das Format im nächsten Jahr nach Möglichkeit wiederholen. Wer nicht in Barcelona war, kann die Vorträge im Youtube-Kanal oder auf Twitter ansehen. (ktn)