Klimawandel: Die Angst vor den Kippelementen

Könnte es sein, dass wir sehr bald den "Point of no return" bei der Erderwärmung erreicht haben? Für einige Ökosysteme könnte das passieren, warnen Forscher.

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Klimawandel: Die Angst vor dem Kippelemente

(Bild: UNSPLASH / ANNIE SPRATT)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • James Temple

Seit Jahrzehnten verstört die Klimawissenschaft mit der Vorstellung, dass der Klimawandel eines Tages aufgrund von Kippelementen, sogenannten Tipping Points, außer Kontrolle geraten könnte, wenn ein bestimmter Wert an CO2 in der Atmosphäre überschritten wird. Regenwälder, Eisschichten, Korallenriffe und andere Ökosysteme könnten dann in eine Todesspirale geraten.

Dieser Zusammenbruch würde wiederum den Meeresspiegel erhöhen, Leben im Meer vernichten und Luft- und Meeresströmungen, die die Temperaturen auf dem Planeten und den Regen beeinflussen, disruptieren. Das Absterben von Wäldern würde wiederum große Mengen an Klimagasen freisetzen, während die geschmolzenen Eisschichten das Reflexionsvermögen des Planeten schmälert, was wiederum den Erwärmungsprozess verstärkt. Das wiederum löst weitere Kippelemente aus, ein Teufelskreis entsteht.

Bislang hielten viele Forscher die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer solchen Entwicklung kommt, für relativ gering, obwohl sie vor den Konsequenzen warnten. Ein Kommentar in "Nature" von Ende November zeigt nun allerdings, dass die Gefahr deutlich größer sein könnte, als bislang angenommen – und wir uns rapide solchen Kippelementen nähern, die die Ereignisse in Bewegung setzen könnten.

Hinzu kommt, dass es möglich sein könnte, dass die einzelnen Phänomene enger miteinander in Verbindung stehen als bislang gedacht. Es bestehe die Möglichkeit einer "globalen Kaskade von Kippelementen, die zu einem neuen "Treibhaus"-Klimastadium führen" könnte, die die Bewohnbarkeit des Planeten reduziert. An dem Kommentar beteiligt waren Forscher der University of Exeter, dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und anderer Institutionen.

Erwähnt wird auch, dass frühere Klimaberichte der UNO solche Ereignisse für wahrscheinlicher hielten, wenn die Temperatur mehr als 5 Grad Celsius ansteigt im Vergleich zu vorindustrieller Zeit. Das galt allgemein als in diesem Jahrhundert unmöglich. An all das sind Trigger geknüpft.

Doch neuere Forschung verfolgt die Theorie, dass etwa das Eisschild in Grönland bereits bei Temperaturerhöhungen von nur 1,5 Grad Celsius abtauen könnte, womit allgemein bis 2030 gerechnet wird (schon jetzt ist die Temperatur um 1 Grad Celsius gestiegen). Sind 2 Grad Celsius erreicht, könnten, ausgelöst auch durch die Meeresversauerung und andere Umweltprobleme, bis zu 99 Prozent der Korallenriffe der Erde zerstört werden. Im Regenwald des Amazonas könnten sich dichte Baumflächen in Grasgebiete verwandeln, sollte das Roden nicht aufhören.

Mehr Infos

Es gibt viele Unsicherheitsmerkmale, was die neue Einschätzung anbetrifft. Forscher streiten sich bereits darüber, was überhaupt ein Kippelement ist, worin sie liegen und wie wahrscheinlich dessen Erreichung ist. Der Tod des Regenwaldes könnte bei einer Flächenvernichtung zwischen 20 und 40 Prozent eintreten, wir sind bereits bei 17 Prozent. Es gibt zudem eine intensive Debatte darüber, wie stabil die verschiedenen Gletscher und Eisschichten wirklich sind und wie schnell sie zusammenbrechen und welchen Einfluss sie auf die Meereshöhe haben werden.

Die Autoren des "Nature"-Kommentars argumentieren, dass es mehr Forschung und verbesserte Modelle braucht, um die Risiken zu verstehen. Allerdings können wir uns ein Warten nicht mehr leisten. Drastische Schritte, um die Klimagasemissionen zu reduzieren, werden angemahnt. Sich im Bezug auf die Schwere der Gefahrenlage zu irren, sei unverantwortlich. "Die Stabilität und Abwehrkraft unseres Planeten ist gefährdet."

(bsc)