Post aus Japan: Fukushima zwischen Aufbruch und Sorge

Nippons Regierung verspricht, 2021 mit dem Abbau beim GAU geschmolzener Brennstäbe zu beginnen. Aber Messungen von Greenpeace schüren die Sorge, dass bisher bei der Dekontaminierung der Umgebung geschlampt wurde.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Eisbarriere um AKW Fukushima – Sicherheitsbedenken bleiben

Das AKW in Fukushima.

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

Das Atomkraftwerk Fukushima 1 war bisher eine strahlende Wunde in der Atomstrategie von Japans Regierung. Nun versucht das Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (Meti) wenigstens einen ersten groben Terminplan für die Dekommissionierung der AKWs zu geben, das im März 2011 nach einem Megaerdbeben durch einen Tsunami zerstört worden war. In drei der sechs Meiler kam es damals zur Kernschmelze. Über 100.000 Bewohner der Umgebung mussten evakuiert werden.

Der Entwurf des Meti sieht vor, dass 2021 mit dem Abbau des geschmolzenen Brennstoffs begonnen werden soll. Außerdem sollen bis 2031 die 4.741 in Kühlbecken gelagerten Brennstäbe abtransportiert worden sein.

Dies ist das erste Mal, dass die Regierung mit konkreten Zeitvorgaben an die Öffentlichkeit tritt. Bisher galt die Aussage, dass der Abbau der Atomruinen an der Pazifikküste den Stromkonzern Tepco insgesamt 30 bis 40 Jahre beschäftigen würde. Aber nach den bisherigen Revisionen des Sanierungsplans sind selbst Japans Medien vorsichtig geworden.

Angesichts der Ursachen für die Verzögerungen bleibe es unklar, ob der Plan wie angekündigt durchgeführt werden könnte, merkte selbst die Nachrichtenagentur Kyodo an. Und die Zurückhaltung ist angebracht. Denn bisher konnten nicht einmal wie geplant Proben der Kernschmelze entnommen werden. Zudem ist auch noch nicht abschließend geklärt, wie die 880 Tonnen an geschmolzenem radioaktivem Müll überhaupt geborgen werden können.

Zuerst wird die Technik am Reaktor 2 getestet. Denn dort ist beim Unfall Brennstoff zum Teil durch das Druckgefäß geschmolzen und hat sich auf dem Grund des Sicherheitsbehälters angesammelt. Zudem ist es das einzige der drei Reaktorgebäude, das nicht in einer Wasserstoffexplosion zerstört wurde. Die Strahlung in dem Bau ist daher geringer als in Reaktor 1 und 3.

Laut japanischen Medienberichten will Tepco hier beginnen, mit einem Roboterarm Brennstoff zu bergen. Zu Beginn sollen Mengen im Grammbereich aufgekratzt werden, später mehrere Kilogramm pro Tag. Allein mit Reaktor 2 werden die Ingenieure genug zu tun haben. Die Menge des Atommülls wird auf 237 Tonnen geschätzt.

Doch auch die Bergung der abgebrannten Brennstäbe in den Abklingbecken ist noch keineswegs sicher. In Reaktor 4 und 3 laufen die Verlegung der Stäbe in eine neu gebaute Lagerstätte direkt neben den Reaktoren. Die Meiler 1 und 2 sollen ab 2023 folgen. Und auch dies ist keine Lösung für das Atommüllproblem. Eine Endlagerstätte hat nämlich auch Japan noch nicht.

Aber derzeit gibt es ein wichtigeres Problem: Vor den olympischen Spielen im Sommer 2020 muss Ministerpräsident Shinzo Abe beweisen, dass die Situation wie versprochen "unter Kontrolle" ist. Die Regierung bemüht sich daher, Menschen zur Rückkehr in Zonen zu bewegen, für die die Evakuierungsbefehle aufgehoben wurden. Aber nur wenige folgen dem amtlichen Ruf.

Ein Grund ist, dass sie sich oft in den Jahren nach dem Unfall anderswo ein anderes Leben aufgebaut haben. Doch auch der stete Strom schlechter Nachrichten aus der Region trüben die Beliebtheit der Wohnlage. Erstens ist die Regierung weiterhin entschlossen, mit Tritium verseuchtes Kühlwasser verdünnt in den Pazifik zu pumpen. Denn schon jetzt lagern mehr als eine Million Tonnen in Tanks auf dem Gelände. Und langsam wird der Raum knapp.

Mehr Infos

Zweitens gibt es selbst in Regionen, die schon seit Jahren für die Besiedlung freigegeben wurden, strahlende Hotspots. Greenpeace bestätigte erst an diesem Mittwoch einen Medienbericht, dass die Organisationen sogar hohe Strahlung auf dem Gelände gefunden hat, in dem 2020 der Staffellauf des olympischen Feuers beginnen soll.

Es handelt sich um das J-Village, das ehemalige Trainingszentrum des japanischen Fußballverbands. An einem der Messpunkte stoppte der Ausschlag der Strahlenmesser am Boden erst bei 71 Mikrosievert pro Stunde. Dies ist das 1775-fache des Vorkrisenwerts.

Schon Mitte November hat Greenpeace die Behörden und das Internationale Olympische Komitee über die Befunde informiert und eine Entseuchung gefordert. Eigentlich wollte die Organisation noch die Antwort der Regierung abwarten, bevor sie an die Öffentlichkeit geht. Aber auch ohne offizielle Antwort reagierten die Behörden. Laut der Zeitung "Sankei" hat der Stromversorgers die betroffenen Punkte bereits am 3. Dezember dekontaminiert.

Aber der Befund lässt Greenpeace am Erfolg der bisherigen Entseuchungsarbeiten zweifeln. Es sei unwahrscheinlich, dass derart hohe Werte von "erneuten Verschmutzungen" stammten, erklärte Shaun Burnie, der in Japan stationierte Atomexperte von Greenpeace. "Logischer ist die Annahme, dass die Dekontamination bisher nicht ausreichend und gründlich genug durchgeführt worden ist." Seine Aussage dürfte das Vertrauen der Japaner in die Regierung nicht erhöhen.

()