Solarthermie für industrielle Prozesse

Konzentriertes Sonnenlicht zur Stromproduktion hat sich bislang nicht durchgesetzt. Aber möglicherweise lässt es sich nutzen, um energieintensive Anwendungen wie Stahl- und Zementproduktion sauberer zu machen.

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Solarthermie für industrielle Prozesse

(Bild: Courtesy of Heliogen)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • James Temple
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Seit vielen Jahren sprechen unterschiedliche Start-ups und Marktforscher vom erheblichen Potenzial von Solarthermie-Kraftwerken, bei denen eine große Anordnung von Spiegeln Sonnenlicht konzentriert und mit der entstehenden Hitze Strom erzeugt wird. In der Praxis aber fiel es der Branche schwer, günstigen Strom zu produzieren und einen Fuß in den Markt zu bekommen, denn der Preis von Photovoltaik-Modulen ist in den vergangenen Jahren rapide gefallen.

Der Serienunternehmer Bill Gross aber, Chairman des Inkubators Idealab und CEO des frühen Solarthermie-Anbieters eSolar, glaubt trotzdem weiter an die Technologie. Mitte November verkündete er ein Projekt, bei dem die Stromproduktion wegfällt und die Wärme direkt für industrielle Prozesse genutzt wird.

Das Unternehmen dazu heißt Heliogen und will höhere Temperaturen erreichen als frühere kommerzielle Anlagen – ausreichend für die Produktion von Zement, Stahl oder Wasserstoff. Die Hoffnung: Die solare Wärme soll fossile Brennstoffe ersetzen, die für die erforderlichen Reaktionen bislang gebraucht wird, und so die Emission von Kohlendioxid senken.

Wenn das Konzept funktioniert, könnte es einen entscheidenden Beitrag zur Dekarbonisierung liefern. Die Nutzung von fossilen Brennstoffen für industrielle Prozesse macht ungefähr 10 Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen aus, stellte das Center for Global Energy Policy der Columbia University in einer Studie von diesem Oktober fest. Das ist mehr als alle Autos auf der Welt zusammen.

Allerdings dürfte es Grenzen für die Anwendbarkeit der Technologie geben. Allgemein funktionieren Anlagen für konzentrierte Solarenergie nur in sehr sonnigen Gegenden, und die Wärme lässt sich nicht über große Entfernungen transportieren. Industrie-Unternehmen, die sie nutzen wollen, müssten deshalb neue Fabriken in der Nähe solcher Anlagen bauen oder umgekehrt.

"Mitten in der Wüste findet sich normalerweise keine Industriezentren", sagt Julio Friedmann, leitender Forschungsmitarbeiter am Center for Global Energy Policy und Hauptautor der Studie. Noch muss das in Kalifornien ansässige Unternehmen Heliogen zudem beweisen, dass seine Technologie funktioniert wie geplant, und das zu niedrigen Kosten. Es hat ungefähr 25 Beschäftigte, will aber nicht sagen, mit wie viel Kapital es ausgestattet ist.

Bei normalen Solarthermie-Anlagen werden Temperaturen von knapp unter 600 Grad erreicht, um ein Medium wie geschmolzenes Salz zu erwärmen. Dieses wiederum wird dann genutzt, um Wasser zu Dampf zu machen, der eine Turbine zur Stromerzeugung antreibt.

Die Neuerung von Heliogen besteht darin, mit Hilfe von hochauflösenden Kameras und maschinellem Sehen kleine Anpassungen an jedem der Spiegel vorzunehmen. Dadurch wird jeder Sonnenstrahl auf einen einzigen, winzigen Punkt ausgerichtet.

Das Unternehmen hat bereits eine kleine Anlage in Kalifornien gebaut, mit der Temperaturen von mehr als 1.000 Grad erreicht wurden. Laut Gross ist dies mit Solarthermie nie zuvor gelungen, und in seiner Pressemitteilung ist von einer "einzigartigen wissenschaftlichen Leistung" die Rede. Beobachter sagen allerdings, dass auch andere kommerzielle und wissenschaftliche Gruppen auf ähnliche Temperaturen gekommen sind, zumindest in begrenzten Experimenten. Schwieriger sei ohnehin, dafür zu sorgen, dass die fertigen Systeme die Hitze wirklich vertragen, halten und übertragen.

Laut Heliogen könnte man unterschiedliche Medien nutzen, um sie zu den Orten zu transportieren, wo sie für Industrieprozesse gebraucht werden, zum Beispiel Keramik-Partikel. Manche Ein-Schritt-Prozesse wie etwa die Kalk-Produktion könnten auch direkt mit der Wärme von den Spiegeln betrieben werden.

Doch für einige der von ihm erwähnten Anwendungen wird Heliogen dafür sorgen müssen, dass Temperaturen von mehr als 1.000 Grad nicht nur erreicht, sondern auch gehalten werden. Stahlöfen operieren bei etwa 1.100 Grad, Zementöfen brauchen sogar 1.400 Grad, wie das Center for Global Energy Policy festhält. Und für die Aufspaltung von Wasser zur Gewinnung von Wasserstoff sind sogar rund 1.500 Grad erforderlich, sagt Heliogen selbst.

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Laut Gross ist es mit der Technologie "absolut möglich, das zu erreichen"; das Unternehmen werde im kommenden Jahr daran arbeiten. Doch eine technologische Roadmap ist noch kein Beweis. Bislang wird Wasserstoff meist aus Erdgas erzeugt. Er wird für verschiedene Industrieprozesse verwendet, unter anderem die Produktion von Ammoniak für Düngemittel. Mit einer sauberen Produktionsweise könnte man die Emissionen in solchen Sektoren verringern, den Wasserstoff direkt als Brennstoff verwenden oder ihn zusammen mit Kohlendioxid zu Treibstoffen mit höherer Energiedichte verarbeiten. Angesichts der geografischen Einschränkungen dürfte Solarthermie bestehende Industrie-Prozess in näherer Zukunft nicht ablösen, sagt Friedmann. Aber sie könne eine Alternative für zusätzliches Wachstum mit niedrigen Emissionen bieten, insbesondere in Bereichen mit strengen Klimaschutz-Regeln.

(sma)