Forscher über Service-Roboter: "Wir haben ein Problem"

Sie saugen, wischen, mähen und helfen uns so im Haushalt. Welche Kehrseite diese Hilfsbereitschaft von Service-Robotern hat, verrät Roboter- und KI-Experte Wolfgang Ertel.

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Forscher über Service-Roboter: "Wir haben ein Problem"

Roomba und Braava Seit' an Seit'.

(Bild: iRobot)

Lesezeit: 3 Min.

Wolfgang Ertel lehrt und forscht an der Hochschule Ravensburg-Weingarten zu künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen und Servicerobotik.

TR: Herr Ertel, warum haben wir noch keine intelligenten Service-Roboter zu Hause?

Wolfgang Ertel: Eine bis heute ungelöste Aufgabe ist das Greifen. Stellen Sie sich einfach mal vor, wie sie mit den Fingern in die Hosentasche greifen. Sie spüren dort mit den Fingern Objekte wie einen Schlüssel, ein Taschentuch oder Kleingeld. Und sie können jedes dieser Objekte zielsicher greifen. So etwas ist für Roboter in weiter Ferne – jedenfalls im Moment noch. Mit maschinellem Lernen kann man diese Probleme lösen. Das ist absolut faszinierend. Geben Sie uns noch zehn Jahre.

Wolfgang Ertel

(Bild: RWU)

Flexible Service-Roboter für häusliche Umgebungen sind also keine Science Fiction mehr?

Genau. Vielleicht wird ein großes Unternehmen wie Google schon in fünf Jahren ein entsprechendes Produkt auf den Markt bringen.

Natürlich, wenn Sie sich akademische Projekte dazu ansehen, finden Sie viele Roboter, die sehr oft einfach nicht funktionieren. Aber das ist überhaupt nicht verwunderlich. Weil an der Uni typischerweise vielleicht zwei Doktoranden an einem Roboter arbeiten. Bei einem großen Unternehmen wie Google arbeiten aber nicht zwei Personen an einem ganzen Roboter, sondern an jedem der etwa 130 Software-Module des Roboters arbeiten etwa 10 bis 20 Ingenieure. Das macht dann insgesamt etwa 2.000 Ingenieure, und so kann ein stabiles, für jeden Konsumenten sehr attraktives Produkt entstehen.

Nun müsste Sie diese Perspektive ja eigentlich sehr freuen, oder?

Ja natürlich. Ich bin begeisterter KI-Forscher. Aber wir haben ein Problem.

Welches?

Wir als Menschheit sind gerade dabei, unsere Lebensgrundlagen zu zerstören. Denn zumindest in den Industrienationen verbraucht jeder Einzelne zu viele Ressourcen. Wir haben ja nicht nur das Klima-Problem. Wir zerstören auch die Böden und die Artenvielfalt.

Warum sind Roboter dann ein Problem?

Wegen des Rebound-Effekts. Wenn ich einen funktionierenden Service-Roboter hätte, könnte ich beispielsweise jeden Tag eine halbe Stunde Arbeit einsparen. Was mache ich mit dieser Zeit? Das Beste wäre, zu meditieren. Dabei verbrauche ich am wenigsten Energie. Aber das machen wir nicht.

Wir leben unser Leben typischerweise so weiter wie bisher: Wir fahren mit dem Auto durch die Gegend, wir shoppen, oder wir fliegen für ein nettes Wochenende nach London. Wenn man den Mehrverbrauch an Energie und Ressourcen durch diesen Effekt abschätzt, dann landet man ganz schnell bei einem Faktor siebzig.

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Aber ganz wichtig: Den Rebound-Effekt gibt es nicht nur bei Service-Robotern, sondern bei fast jeder neuen Technologie. Wir müssen daher immer kritisch die Frage nach der Ressourcen-Bilanz stellen.

Heißt das für Sie, Ihre Arbeit an Service-Robotern einzustellen?

Ich muss Ihnen gestehen, dass ich die Antwort auf diese Frage noch nicht kenne. Ich überlege ernsthaft, ob ich komplett wechsle zur Forschung über die Nachhaltigkeit von Robotern, Digitalisierung und KI und mehr Vorträge über dieses Spannungsfeld halte. Damit kann ich möglicherweise mehr für das Gemeinwohl tun, als mit der weiteren Entwicklung von Service-Robotern.

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(wst)