Merkel warnt wegen Fachkräftemangels vor Abwanderung von Unternehmen

Viele Betriebe in Deutschland können mangels geeigneter Bewerber Stellen nicht besetzen. Die Kanzlerin warnt vor drastischen Folgen, wenn sich das nicht ändert.

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Merkel warnt wegen Fachkräftemangels vor Abwanderung von Unternehmen
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  • dpa
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland vor der Abwanderung von Firmen gewarnt. "Wir kennen viele Handwerker und Betriebe, die händeringend Fachkräfte suchen", sagte Merkel am Samstag in ihrem wöchentlichen Video-Podcast vor dem Fachkräftegipfel an diesem Montag. "Deshalb ist es notwendig, dass wir uns um ausreichend Fachkräfte bemühen. Denn sonst müssen Unternehmen abwandern – und das wollen wir natürlich nicht."

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Bundesregierung, Länder, Wirtschaft und Gewerkschaften kommen am Montag im Kanzleramt zu einem Gipfel zur Einwanderung von Fachkräften zusammen. Dabei geht es darum, wie das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz schnell wirken kann. Es tritt am 1. März 2020 in Kraft und soll qualifizierten Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Staaten den Weg nach Deutschland ebnen.

Fachkräftemangel

Die Regierung sei Deutschland in den kommenden Jahren zunehmend auf die Zuwanderung von Fachkräften außerhalb der Europäischen Union angewiesen. Länder, in denen Fachkräfte angeworben werden sollen, sind zunächst unter anderem Mexiko, Brasilien, Indien und Vietnam. Das geht aus der Fachkräftestrategie der Bundesregierung hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

"Ohne ausreichend Fachkräfte kann ein Wirtschaftsstandort nicht erfolgreich sein", sagte Merkel in ihrem Video-Podcast. Deutschland habe leider nicht überall ausreichend Fachkräfte. "Hatten wir noch vor 15 Jahren das Problem, fünf Millionen Arbeitslose zu haben, so ist heute das Thema, wo bekomme ich die geeigneten Fachkräfte her."

Die Bundesregierung wolle nun das eigene, heimische Potenzial ausschöpfen, durch "gute Ausbildung für möglichst alle Menschen". Zum anderen sollten Fachkräfte aus der EU nach Deutschland geholt werden. Es arbeiteten bereits 2,5 Millionen Menschen aus EU-Ländern in Deutschland. "Aber allein das reicht nicht aus, und deshalb müssen wir uns auch um Fachkräfte von außerhalb der Europäischen Union bemühen", sagte Merkel. Darum gehe es bei dem Treffen am Montag.

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Die Bundesregierung habe mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz den rechtlichen Rahmen geschaffen. "Aber nun heißt es natürlich auch, die Menschen auf der Welt zu finden, die bereit sind, zu uns nach Deutschland zu kommen", sagte die Kanzlerin. Es gehe etwa darum, wie schnell Visa erteilt werden könnten, sagte Merkel.

Es müsse einen "reibungslosen Informationsfluss" geben von deutschen Firmen zu den Ländern, in denen Fachkräfte vorhanden seien, so Merkel. "Und es muss Klarheit herrschen, welche Voraussetzungen für eine Arbeit in Deutschland oder für die Aufnahme einer Ausbildung in Deutschland gelten." Bei der Gewinnung von Fachkräften gehe es um akademische, aber auch um praktische Berufe.

Die derzeit größten Engpässe bei Fachkräften bestehen laut Fachkräftestrategie derzeit bei Berufen aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – daneben sind der Bau, der Hotel- und Gaststättenbereich sowie Gesundheitsberufe betroffen. Konkret gehe es etwa um Elektrotechniker, Metallbauer, Mechatroniker, Köche, Alten- und Krankenpfleger, Informatiker sowie Softwareentwickler.

Für mehr Fachkräfte aus dem Ausland will die Bundesregierung die Rahmenbedingungen verbessern, damit interessierte Bewerber in ihren Heimatländern Deutsch lernen – damit sie bereits vor ihrer Einreise Kenntnisse der deutschen Sprache und entsprechende Sprachzertifikate erwerben können. Zudem sollen Visaverfahren digitalisiert werden.

In der Strategie heißt es, der deutschen Volkswirtschaft stünden mit dem demografischen Wandel, der Digitalisierung und klimapolitischen Zielvorgaben fundamentale Umbrüche bevor. "Der Erfolg bei der Bewältigung dieser Herausforderungen hängt in entscheidendem Maße davon ab, wie gut es Deutschland gelingt, seine zukünftige Fachkräftebasis zu sichern."

Auch wenn mehr Fachkräfte aus dem Inland gewonnen werden könnten, würde der demografische Wandel – also die Alterung der Bevölkerung – ohne weitere Zuwanderung "zu einem signifikanten Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials" führen, heißt es. Weiter sei davon auszugehen, dass die Zuwanderung aus Staaten der Europäischen Union tendenziell abnehmen werde.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte die Bundesregierung zu mehr Anstrengungen auf, damit auch in Deutschland mehr Fachkräfte gewonnen werden. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte der dpa, es sei richtig, auf Anwerbung im Ausland zu setzen, denn sonst werde der Fachkräftebedarf nicht gestillt werden können. "Trotzdem: Die Bundesregierung muss das Eine tun, ohne das Andere zu lassen. Denn hierzulande gibt es bereits ein Fachkräftepotenzial, das über Qualifizierung und Weiterbildung endlich gehoben werden muss."

Dazu gehöre nicht nur eine bessere Beteiligung von Frauen, Älteren und aktuell arbeitslosen Menschen am Erwerbsleben, sondern auch Ausbildung und Integration von Geflüchteten, die bereits in Deutschland seien. (tiw)